Volle Breitseite auf die Schwachstellen der Regierung
Die antifaschistische Bewegung hat FPÖ-Innenminister Herbert Kickl die erste schwere Niederlage zugefügt. In der Affäre um den Verfassungsschutz musste er seinen persönlich ausgewählten Generalsekretär und Mitgründer der freiheitlichen Polizeigewerkschaft AUF, Peter Goldgruber, opfern. Seit Monaten verlangt die Bewegung Kickls Rücktritt. Aktivist_innen versauten ihm seine erhoffte ungestörte Aussage im U-Ausschuss und protestierten vor diesem am Wiener Heldenplatz. Die Medien griffen das Bild dankend auf: Puls 4 stieg mit dem Protest in ihren Bericht ein und zeigten Kickl, wie er unter Rufen „Wir wollen keine Nazi-Schweine!“ in die Hofburg flüchtet.
Die Regierung bekam derart Panik, dass sie Werner Amon, den Vorsitzenden der ÖVP-Fraktion im U-Ausschuss – den einzigen türkisen Abgeordneten, der sich bislang traute, die FPÖ in der Causa anzugreifen – ausgerechnet bei Kickls Verhör einen Maulkorb verpasste; er durfte „aus taktischen Gründen“ keine Fragen stellen.
Antifaschismus
Eine offensichtliche Schwachstelle der Regierung ist die faschistische Tradition der FPÖ, wie wir bereits mehrfach argumentiert haben (Anton Pelinka bezeichnet die FPÖ selbst als die indirekte „Nachfolgepartei der NSDAP in Österreich“). Der Nazi-Liederbuch-Skandal der Burschenschaft „Germania“ ließ die Freiheitlichen bei den letzten vier Landtagswahlen im Frühjahr phänomenal abstürzen. Sie wurde sogar gezwungen, eine eigene „Historikerkommission“ einzusetzen, die die braune Vergangenheit aufarbeiten soll.
Es gäbe viele gute Gelegenheiten, die Rohre nachzuladen. Der Standard dokumentierte alleine 50 neonazistischen Vorfälle seit Antritt der schwarz-blauen Regierung, davon betreffen 46 die FPÖ, ein ganzes Drittel (15) sind im Burschenschafter-Milieu verortet. Wenn Journalist_innen nur tief genug im braunen Sumpf wühlen würden, käme noch viel mehr zum Vorschein.
Migration
In der antisemitischen Tradition der „Protokolle der Weisen von Zion“ verbreitet FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache antisemitische Verschwörungstheorien rund um den Milliardär George Soros, der seine Universität von Budapest nach Wien verlegen lässt. Strache legte kürzlich mit offenem Antisemitismus nach und vernaderte Soros’ Hochschule als „Wanderuni“ – in Anlehnung an den antisemitischen Mythos des „Wanderjuden“.
Der erste große Streit in der Regierung entbrannte über den UN-Migrationspakt. Wie aufgedeckt wurde, drängte die FPÖ zum Rückzug aus dem Pakt, und im Gegenzug erhielt Kurz die Zustimmung der FPÖ bei der Zerschlagung der Notstandshilfe. Infolge wütender Attacken seiner Wähler_innen musste Strache beteuern, dass niemand enteignet werde, was nicht mehr als ein Ablenkungsmanöver sein dürfte. Auf der anderen Seite brach ÖVP-Wissenschaftsminister Heinz Faßmann sein Schweigen und griff indirekt Kurz und Strache an, indem er den Rückzug aus dem UN-Migrationspakt beklagte, und sagte: „Österreich ist natürlich ein Einwanderungsland.“
Kopftuchverbot
Leider zeigt die Opposition vor allem bei einer Frage selbst ihre größte Schwäche, und die Regierung weiß, sie auszunutzen: bei antimuslimischem Rassismus. Politikwissenschafter Anton Pelinka hält den oppositionellen Parlamentariern zu Recht vor: „Und die Opposition? Neos und SPÖ erklärten sich gegenüber dem Kopftuchverbot zunächst einmal ‚gesprächsbereit‘, statt laut und deutlich darauf zu verweisen, dass diese Pläne der Regierung gegen Grundrechte verstoßen. […] Die lahme Reaktion der parlamentarischen Opposition zeigt, dass dagegen nur die Proteste der Zivilgesellschaft helfen können.“
Die groß hinausposaunte Bereitschaft der neuen SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, über das Kopftuchverbot zu verhandeln, ist deshalb nicht nur schäbig, weil es sich bei der vorgeschlagenen Maßnahme offensichtlich um Rassismus gegenüber einer ohnehin schon ständig angegriffenen Minderheit handelt. Die Ankündigung ist auch einfach nur unnötig und dumm, weil sie damit auf das Ablenkungsmanöver von Kurz und Strache reinfällt. Die Opposition muss die Schwachstellen der Regierung ausnutzen, die Bewegungen zusammenbringen und in kommende Streiks hineintragen.