Vom Widerstand zur linken Alternative
Man stelle sich vor, Bernie Sanders hätte die Wahl in den USA gewonnen. Linke auf der ganzen Welt hätten gejubelt und vor sich hergetragen: Jetzt ist unsere Zeit gekommen! Wir müssen uns das vor Augen führen, weil man nur all zu leicht der Versuchung erliegt, den Aufstieg der Donald Trumps und Norbert Hofers als unvermeidlich zu betrachten. Wenn wir den Rechten perspektivisch das Wasser abgraben wollen, dann benötigen wir allerdings zwei Dinge: Widerstand und eine linke Alternative.
Die Kampagne von Bernie Sanders zog hunderttausende Menschen in ihren Bann, und noch am Wahlabend gingen tausende Menschen aus Protest gegen Rassismus und Sexismus auf die Straßen US-amerikanischer Großstädte. In Österreich formierten hunderte freiwillige Helfer_innen und Flüchtlinge die Bewegung gegen Abschiebungen. Rund um den 13. November beteiligten sich 15 Gemeinden und Städte an landesweiten Mahnwachen gegen Deportationen.
Widerstand gegen Rassismus
Die vielen Engagierten, ganz oft sind es die Frauen, demonstrieren, dass eine neue Offensive gegen Rassismus und die FPÖ möglich wäre. Viele kratzen ihre letzten Energien zusammen – die Hilfsarbeit über das letzte Jahr hat unglaublich viel Kraft gekostet – und versuchen die Abschiebungen ihrer neugewonnen Freund_innen zu verhindern. Die meisten verstehen diese Bewegung als Chance, der FPÖ, die die Regierung letztes Jahr ständig vor sich hergetrieben hat, etwas entgegenzuhalten.
Rufen wir uns in Erinnerung, dass im vergangenen Jahr über eine Million Menschen in der Flüchtlingshilfe aktiv waren. Sie zu erreichen und nur einen riesigen Flüchtlingsprotest zu organisieren, würde der FPÖ bereits gewaltige Sorgen bereiten. Doch Widerstand alleine wird zu wenig sein, um den Aufstieg der FPÖ langfristig aufzuhalten. Wir benötigen eine längerfristige Strategie.
Anbiedern an Eliten
Der Liberalismus hat nicht nur dabei versagt, den Rechten entgegenzutreten, er hat sie größer gemacht. Der freiheitliche Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer präsentierte sich als „Außenseiter“– mit den Worten Straches – gegen das „verfilzte Establishment“. Die Antwort seines Gegenkandidaten Alexander Van der Bellen darauf war, sich mit eben diesem Establishment zu umgeben: Bundes- und Vizekanzler, ehemalige EU- und Staatssekretäre und Ex-Chefs von Großkonzernen wie Siemens und Raiffeisen riefen zu seiner Unterstützung auf.
Der Industrielle Hans Peter Haselsteiner finanzierte eine eigene „Nein zum Öxit“-Kampagne und kaufte sich mehrfach in den Werbepausen des TV-Duells der Kandidaten auf Puls 4 ein. Van der Bellens Hauptkritik an Hofer war nicht seine Mitgliedschaft in einer deutschnationalen Burschenschaft, sondern seine Ablehnung der Europäischen Union (EU).
Konfrontiert damit, dass Trump vor allem deswegen gewählt wurde, weil er (scheinbar) für die „kleinen Leute“ spricht, belächelte Van der Bellen das in der Zeit im Bild 2: „Das gilt in meinem Fall nicht.“ „Wutbürger“ tut Van der Bellen als dumm ab, die einfach nicht für vernünftige Argumente offen wären. Es ist genau diese Abgehobenheit, die die Leute ankotzt.
Bruch mit Liberalismus
Jedes neue linke Projekt muss, wenn es erfolgreich eine Alternative zur FPÖ darstellen will, mit dem Liberalismus brechen. Das beinhaltet zuallererst einen radikalen Bruch mit der EU, deren Kern ein neoliberales Wirtschaftsprojekt ist. „Wenn das der Kern des europäischen Projekts ist“, meinte Lisa Mittendrein von ATTAC in der ORF-Diskussion Im Zentrum, dann müssen wir progressive Politik eben „gegen diese EU“ machen. Die Menschen sind zu Recht enttäuscht nach den unzähligen gebrochenen Versprechungen, die man ihnen vor dem Beitritt zur EU gemacht hat.
Es ist eine gewaltige Tragödie, dass Arbeiter_innen jetzt rechts wählen. Den Hass der Leute auf die politischen Eliten in linke (außer-)parlamentarische Bahnen zu lenken, wird eine schwierige, aber nicht unlösbare Aufgabe. Bernie Sanders soll uns daran erinnern, was möglich wäre – uns aber auch warnen, dass sich neue linke Projekte nicht an das liberale Establishment ketten dürfen – Sanders wurde ganz einfach von der Führung der Demokratischen Partei ausgebootet.
Die Linke muss sich dazu in die aktuellen Bewegungen gegen Abschiebungen und die FPÖ einmischen, sie stärken und sich Auseinandersetzungen innerhalb der Sozialdemokratie und Grünen stellen. Sie muss mit der „Political Correctness“ brechen und eine Sprache entwickeln, die einfache Menschen verstehen. Denn eine neue Linkspartei wird nicht am Reißbrett entworfen, sondern wird aus erfolgreichen sozialen Kämpfen hervorgehen.