Wer die FPÖ bekämpfen will, muss die Wut der EU-Gegner mobilisieren
Millionen von Lohnabhängigen sind an den Rand der Gesellschaft gedrängt worden und rebellieren gegen die Eliten, die sie dafür verantwortlich machen. Über drei Jahrzehnte lang haben Sparpakete, beziehungsweise Einschnitte bei Bildung und Gesundheit das Leben der ärmsten Österreicher_innen schwieriger gemacht. Die schon beinahe zehn Jahre andauernde Wirtschaftskrise hat diese Tendenz noch verschärft.
Ein ganz großer Teil der Lohnabhängigen hat sich von Sozialdemokratie und Gewerkschaft abgewendet und wird auch tatsächlich nicht mehr von ihr vertreten. Bezeichnend für diese Krise der Sozialdemokratie sind die Ergebnisse der Wahlanalyse: Arbeiter_innen mit niedriger Qualifikation, junge Männer bis 29 Jahre, Landbevölkerung und weniger Gebildete haben mehrheitlich FPÖ gewählt. Junge Frauen, Angestellte und Besserverdiener stimmten gegen die FPÖ.
Es besteht die reale Gefahr, dass sich die Arbeiter_innenklasse zunehmend spaltet – in jene, die noch unter dem Mantel der Sozialdemokratie unterkommen und jene, die der FPÖ in die Arme getrieben werden.
Enttäuschung über EU
Die FPÖ hat drei Viertel der EU-Gegner_innen abkassiert, aber nicht, weil diese von Haus aus nationalistisch sind. Die Ablehnung der EU hat eine andere Entstehungsgeschichte. Österreich war 1994 der Musterschüler unter den Beitrittskandidaten. Die Begeisterung ist der Ernüchterung gewichen. Wir haben die Teuerung durch die Einführung des Euro erlebt, die Bürokratisierung und Entmündigung.
Die EU wird als Garant dafür gesehen, dass der wirtschaftliche und politische Kurs, der in die Misere geführt hat, nicht korrigiert werden kann. Der FPÖ wird es gelingen, die Rebellion eines Teils ihrer Wählerschaft gegen die EU immer stärker in rassistische und nationalistische Bahnen zu lenken, solange sie das Monopol der EU-Gegnerschaft innehat. Anstatt dem gegenüber die Augen zu verschließen, müssen wir uns ernsthaft Gedanken darüber machen, wie wir die Pläne der FPÖ vereiteln können.
Die EU gehört bekämpft, und dieses Schlachtfeld dürfen wir nicht der FPÖ überlassen.
„Ich bin kein Rassist, aber…“
Wenn Arbeiter_innen Faschisten zujubeln, dann ist das ein echtes Problem. Sie können immer behaupten, dass sie es nicht gewusst haben. Aber niemand, der FPÖ wählt, kann sich darüber hinweg schwindeln, dass er einer offen rassistischen Partei die Stimme gegeben hat, und sollte damit konfrontiert werden.
Deshalb sind antirassistische Massenproteste so wichtig, weil sie diesen Widerspruch – nicht rassistisch sein wollen, aber rassistisch wählen – voll zur Geltung bringen.
Rebellion der Deklassierten
Dasselbe Phänomen, die Rebellion eines Sektors der Lohnabhängigen, der sich von keiner herkömmlichen Partei mehr vertreten fühlt, tritt nach vier Jahrzehnten Neoliberalismus in ganz Europa auf. Nicht überall profitieren die Rechten. In Griechenland, Spanien, Portugal und Irland profitiert die Linke stärker von der Polarisierung. Das zeigt, dass die weniger Privilegierten nicht notwendigerweise nach rechts gehen müssen.
Befördert wird ein Rechtsruck allerdings von konfliktscheuen sozialdemokratischen Parteien beziehungsweise Gewerkschaften. In Österreich kommen noch spezifische Faktoren, die die FPÖ bevorzugen, dazu: Das Erbe der Nazi-Diktatur, das Wahlrecht und die ewige Große Koalitionsregierung.
EU-Gegner einbeziehen
Wir müssen einen Faktor weiter aufbauen, der in der Politik eine ebenso gewichtige Rolle spielen kann, wie die parlamentarische Ebene – die sozialen und politischen Kämpfe auf der Straße und in den Betrieben. Im vergangenen Jahr sind zigtausende Menschen politisch aktiv geworden und über eine Million haben sich für Flüchtlinge engagiert. Das ist ein Fortschritt, auf dem wir aufbauen können. Polarisierung bedeutet, dass die Mitte Substanz an den rechten und linken Pol verliert.
Von der Polarisierung hat bei Wahlen bisher nur die extreme Rechte profitiert. Die radikale Linke ist über die Protestbewegungen seit dem Jahr 2000 stärker geworden. Wir sollten nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern uns der Herausforderung stellen und Bewegungen aufbauen, die die EU-Gegner_innen einbeziehen und von der FPÖ lösen können. Um das zu erreichen, müssen wir die FPÖ weiterhin frontal angreifen, denn das kann die Spannungen zwischen elitären Burschenschaftern wie Norbert Hofer und den von ihm verachteten Proletariat zur Explosion bringen.