Gewerkschaftsbund kann 12-Stunden-Tag und Regierung wegstreiken!
Der Gewerkschaftsbund (ÖGB) mobilisierte erfolgreich zur Massendemonstration gegen den 12-Stunden-Tag am 30. Juni in Wien. Die Betriebsrätekonferenzen in den Bundesländern zeigten schon zuvor die enorme Beteiligung und Kampfbereitschaft der Belegschaftsvertreter_innen. In hunderten Betriebsversammlungen informierten Betriebsrät_innen die Beschäftigten ihrer Betriebe über die Folgen der Arbeitszeitverlängerung und den aggressiven Ausstieg der Regierung aus der Tradition der Sozialpartnerschaft.
Der Ebenseer Angestelltenbetriebsrat der Polytec Group, Wolfram Scheichl, ließ alle Maschinen für die Betriebsversammlung stoppen um den Kolleg_innen die Teilnahme an der Betriebsversammlung zu ermöglichen. Nach der Information über die aktuelle Lage stimmten die Angestellten für die ÖGB-Resolution mit nur einer Gegenstimme.
Eine einzige Gegenstimme gab es auch bei der Betriebsrätekonferenz in Leonding, an der über 1.000 Betriebsrät_innen, Jugendvertrauensrät_innen und Personalvertreter_innen aus ganz Oberösterreich in der randvollen Kürnberghalle teilnahmen. Die Begründung des Mannes lautete, es fehle ihm in der Resolution das Wort „Generalstreik“.
Machtdemonstration des ÖGB
In der ÖGB-Zentrale in Wien kamen am 25. Juni mehr als 1.200 Gewerkschafter_innen aus allen sieben Fachgewerkschaften bei der Betriebsrätekonferenz zusammen. Die Heimhelferin Natascha Feigl berichtete: „In unserer Branche arbeiten vor allem Frauen. Viele sind alleinerziehend. Wir sind bereits jetzt körperlich und psychisch sehr belastet. Eine 60-Stunden-Woche wäre eine Katastrophe.“ Die ÖGB-Bundesfrauenvorsitzende Korinna Schumann dazu: „Die Gewerkschaften werden das nicht akzeptieren“. Dafür erntet sie Applaus.
Familienministerin Juliane Bogner-Strauß erklärte kürzlich, es sei durchaus möglich bei der Kinderbetreuung 50 Millionen von bisher 140 Millionen Euro zu kürzen. Kaputt gesparte Kindergärten und 12-Stunden-Tage würden Frauen zurück in unwürdige Abhängigkeitsverhältnisse treiben. Christian Hackl, Betriebsrat bei Manner, stellte klar: „Wir lassen uns das nicht gefallen, wir gehen auf die Barrikaden!“
Der Großkampftag des ÖGB und der Teilgewerkschaften gegen die Regierungspläne am 30. Juni wurde mit 120.000 Menschen aus allen Teilen des Landes ein voller Erfolg. Laut und selbstbewusst demonstrierten alle Gewerkschaften ihre Einigkeit, solidarisch von Organisationen der Zivilgesellschaft begleitet. Als die Demospitze bereits am Heldenplatz einzog, standen immer noch Protestblöcke am Westbahnhof. Als Mobilisierungszeit für den gigantischen Marsch zu Ferienbeginn reichten mickrige 10 Tage!
Der Pflasterer Günther, der durch die Rede von Willi Mernyi am ÖGB-Kongress berühmt wurde, bekam auf der Hauptbühne am Heldenplatz großen Applaus. Für Günther würde der 12-Stunden-Tag bedeuten, pro Tag nicht 3,4 Tonnen Pflastersteine zu schleppen und zu verlegen, sondern noch einmal 1,8 Tonnen mehr.
Kampfbereite Betriebsräte
Peter Grandits, Konzernbetriebsrat der PORR AG, zeigte sich kampfbereit: „Vor hundert Jahren haben sie einen 8-Stunden-Tag eingeführt, weil sie gesehen haben, dass sich die Leute zu Tode arbeiten. Und jetzt bewegen wir uns hundert Jahre zurück! Wenn es hart auf hart geht, werdet ihr im Radio hören: ‚Die Westautobahn ist gesperrt, da haben sie Schotter verloren. Die Flughafenautobahn ist gesperrt, da haben sie Beton verloren. Alle Wege nach Wien sind gesperrt.’ Da kennen wir nichts!“ Das ist genau die richtige Haltung. Der Klassenkampf von oben braucht entschlossenen Widerstand.
Die Wirtschaftskammer legte bereits Ende Juni einen Änderungsentwurf für den Autobus-Kollektivvertrag vor. Darin wird eine Erhöhung der Wochenstunden auf 50 Stunden und die Erhöhung der täglichen Arbeitszeit auf 10 Stunden festgelegt.
Im Gespräch mit Linkswende jetzt fordert Axel Magnus, Betriebsrat und Sprecher der SozialdemokratInnen und GewerkschafterInnen gegen Notstandspolitik, die Verkürzung der Arbeitszeit: „Während wir nahezu jede Woche Erfolgsberichte über die Verkürzung der Arbeitszeit aus zahlreichen Ländern wie Schweden, Deutschland, Neuseeland, usw. in den Medien zu Gesicht bekommen, bevorzugt es die schwarz-blaue Bundesregierung, die hierzulande erreichten Fortschritte um ein Jahrhundert zurückzudrehen. Die mögliche Verlängerung des Arbeitstages und der Arbeitswoche muss mit allen erforderlichen gewerkschaftlichen Maßnahmen verhindert werden.“
Autoritäre Wende
Selbst der Tiroler AK-Präsident Erwin Zangerl (ÖVP) warnt: „Die türkisen Putschisten sitzen nun an der Spitze und bezahlen mit Zinsen an die Großsponsoren und die Industriellenvereinigung zurück, was die ihnen im Wahlkampf gespendet haben. Das gab es früher in diesem Ausmaß nicht, das ist demokratiegefährdend.“ Die Politikwissenschaftlerin der Universität Wien, Gabriele Michalitsch, hielt eine viel bejubelte Rede bei der Großdemo: „Es geht um eine autoritäre Wende in diesem Land. So eine autoritäre Wende hat aber keine Chance, wenn wir hier uns nicht spalten lassen – weder in Hautfarbe, Geschlecht, Alter, Qualifikation, Muttersprache.“
Der Generalangriff auf die Gewerkschaften und die Feindschaft zur Arbeiter_innenbewegung sprach FPÖ-Klubchef Johann Gudenus aus: Ein wesentlicher Aspekt der „Arbeitszeitflexibilisierung“ sei die Entmachtung der Betriebsrät_innen. Die gewählten Belegschaftsvertreter_innen seien laut Gudenus, „noch vorhandene Machtstrukturen“ der Sozialdemokratie, welche „minimiert“, werden müssten.
Vom 12-Stunden-Tag wird eine Mehrheit bedroht. Wenn diese kollektiv mit ihrer Gewerkschaft streiken, legen sie die Produktion lahm. Da die Ausbeutung der Beschäftigten in der Produktion die Grundlage des Profits ist, trifft ein Streik die Unternehmer an ihrer schwächsten Stelle. Beim bundesweiten Streiktag gegen die Pensionsreform 2003 wären die Kosten für die Wirtschaft zwischen 800 Millionen und einer Milliarde Euro gewesen, meinte der Linzer Volkswirt Friedrich Schneider. Eine längere Streikwelle hätte die Regierung zu Fall gebracht. Aktuell unterstützt eine deutliche Mehrheit etwaige Streiks gegen den 12-Stunden-Tag. 59 Prozent der Österreicher_innen halten Streiks laut Profil-Umfrage für gerechtfertigt.
Antwort auf Kürzen ist Stürzen
Stürmischen Applaus gab es für den Vorsitzenden der Postgewerkschaft, Helmut Köstinger, der in seine Rede am Heldenplatz frontal einstieg: „Wir alle gemeinsam haben ein großes Ziel: diese unsoziale, ungerechte Regierung zu stürzen!“ Wer lügt um an die Macht zu kommen, um dann gegen die Mehrheitsinteressen Politik zu machen, hat keine Legalität. Dennoch fand sich ein Diener der Regierung, der Köstinger wegen Verhetzung anzeigte! Unsere Solidarität gegen Kriminalisierungsversuche verdienen auch kreative junge Aktivist_innen. Gegen den 12-Stunden-Tag stellten sie Taferl mit der Aufschrift „Sie gefährden den sozialen Frieden“, eine Grabkerze und einen Pflasterstein vor Büros oder Häuser von FPÖ- und ÖVP-Abgeordneten. Die Regierung, die mit Abschiebungen in Kriegsgebiete Menschenleben auslöscht, faselte von Gewalt und roten Linien!
Axel Magnus kontert der Hetze: „Dass aus Kerzen, Plakaten und jeweils einem Pflasterstein eine Gewalttat konstruiert wird, zeigt wie viel Angst diese Regierung vor einer mobilisierten ArbeiterInnenklasse hat. Ich persönlich hätte ihnen ja die 5,2 Tonnen Pflastersteine vor die Türe gestellt, die Günther der Pflasterer an jedem 12-Stunden-Tag wird heben müssen. Noch perfider aber ist es, wenn ein FSGler einen anderen – den Genossen Köstinger – anzeigt, nur weil dieser auf einer Demonstration den Sturz der Regierung fordert. Ohne dass Regierungen oder gar ganze Herrschaftssysteme gestürzt wurden, hat sich auf dieser Welt noch nie wirklich etwas zum Besseren verändert. Denken wir doch genau 100 Jahre zurück. Damals hat die ArbeiterInnenbewegung den Kaiser gestürzt und so die Republik möglich gemacht. Meinen jene, die sich jetzt über solche Aussagen aufregen, dass das schlecht war?“
Im Juli wurden Betriebsversammlungen an den großen Standorten der Voestalpine, bei Böhler, der OMV, der Andritz AG und in vielen anderen Betrieben durchgeführt. „Die Beschäftigten sind bereit, gemeinsam gegen dieses Ausbeutergesetz zu kämpfen. Die Betriebsversammlung wurde daher nur unterbrochen und kann somit jederzeit wiederaufgenommen werden“, so der Konzernbetriebsratsvorsitzender der Voestalpine-Gruppe über seine 2.500 Teilnehmer_innen.
PRO-GE-Vorsitzender Rainer Wimmer versprach: „Das wird kein Lüfterl, das wird ein Sturm!“ Ein Sturm wird auch nötig sein. Kämpft die Gewerkschaft nicht mit voller Entschlossenheit und Härte, brächte dies eine katastrophale Niederlage. Tut sie das aber, sind Kurz und Strache schnell weg.