Polizei mordet auch in Österreich
Allein innerhalb der Jahre 1999/2000 wurden mindestens fünf junge Männer mit Migrationshintergrund getötet. Sie passten in das Raster der Operation Spring, im Zuge derer der Staat Jagd auf Drogendealer machte und mit fragwürdigen Anklagen Haftbefehle und Abschiebungen durchsetzte. Abschiebungen werden ebenfalls von der Polizei durchgeführt. Wie viele Menschen damit dem Tod durch Krieg, Hunger und Krankheit ausgeliefert werden, wird selten thematisiert.
Wir haben eine, bei weitem nicht vollständige, Chronik tödlicher Polizeieinsätze der letzten zwei Jahrzehnte in Österreich zusammengestellt:
19. Februar 1999: Ahmed F.
Ahmed F. starb infolge von Misshandlungen durch die Polizei im Zuge einer Drogenkontrolle. Angeblich um zu verhindern, dass er zu Kugeln verpackte Drogen schluckt, hätten Polizisten ihm den Hals zugedrückt. Zeug_innen berichten außerdem, dass der Mann etwa 20 Minuten lang verprügelt wurde.
1. Mai 1999: Marcus Omofuma
Der 25-Jährige wurde auf dem Abschiebeflug von Wien nach Sofia von drei Fremdenpolizisten gefesselt und geknebelt. Er erstickte daraufhin. Seine Mörder wurden lediglich zu acht Monaten bedingter Haft verurteilt und behielten ihre Jobs im Dienste des Staats.
3./4. Mai 2000: Richard Ibekwe
In der Nacht vom 3. auf den 4. Mai 2000 wurde der 26-jährige Asylsuchende Richard Ibekwe in der Justizanstalt für Jugendliche in der Rüdengasse (Wien-Erdberg) tot in einem Sessel aufgefunden, kurz nachdem er laut Zeug_innenberichten bei seiner Verhaftung von Polizisten geschlagen wurde. Sein Cousin, Harison Ibekwe, berichtete: „Ich habe noch vergangene Woche mit ihm telefoniert. Dabei klagte er über keinerlei Beschwerden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er eines natürlichen Todes gestorben ist.“
2000: Johnson Okpara
In derselben Haftanstalt starb im Jahr 2000 der 19-jährige Johnson Okpara. Er soll aus dem Fenster gesprungen sein.
20. Mai 2000: Imre B.
Vor einem als „Drogenbunker“ geltenden Lokal wurde der 35-jährige Ungar Imre B. von einem Kriminalpolizisten, der ihn mit jemandem verwechselt hatte, erschossen. Erst sechs Jahre später wird vom Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass der Schuss rechtswidrig war.
31. August 2002: Binali I.
Der 28-jährige Binali I. wurde in der Wiener Innenstadt von einem Polizisten erschossen, nachdem er ein Kleidungsgeschäft überfallen und einer Passantin die Handtasche stehlen wollte. Binali I. litt unter Schizophrenie und zeitweisem Realitätsverlust, Zeugenaussagen zufolge sei der Mann „sehr verwirrt“ gewesen. Das Gericht hingegen entschied, dass die Polizisten in Notwehr gehandelt hätten und sprach sie frei.
15. Juli 2003: Cheibani Wague
Der aus Mauretanien stammende Cheibani Wague wurde im Wiener Stadtpark von mehreren Polizisten und Sanitätern minutenlang mit gefesselten Händen in Bauchlage auf den Boden gedrückt. Ein Notarzt sah tatenlos zu. Wague erlitt ein Herz-Kreislauf-Versagen, im Spital konnte nur noch der Tod des 33-Jährigen festgestellt werden. Der Notarzt und einer der Polizisten wurden wegen fahrlässiger Tötung verurteilt.
19. August 2004: Edwin Ndupu
Der Nigerianer Edwin Ndupu starb in der Justizanstalt Krems/Stein nach offiziellen Angaben „an einer Fettembolie, ausgelöst durch selbst zugefügte Verletzungen“. Die Todesursache ist jedoch umstritten, da der Gefangene vor seinem Tod von Justizbeamten verprügelt worden sein soll.
4. Oktober 2005: Yankuba Ceesay
Yankuba Ceesay befand sich in Wien in Schubhaft, wo er aufgrund „aggressiven Verhaltens“ in eine Sicherungszelle gesteckt wurde. Bei einem Kontrollgang wurde er tot aufgefunden – man hatte ihn verhungern und verdursten lassen.
5. August 2009: Florian Pirker
In der Nacht vom 4. auf den 5. August 2009 wurde der 14-jährige Florian Pirker von einem Polizisten in den Rücken geschossen und getötet. Der Jugendliche war gemeinsam mit einem 16-jährigen Freund in eine Merkur-Filiale in Krems-Lerchenfeld eingebrochen, „bewaffnet“ mit Spitzhacke und Schraubenschlüssel. Florians Mörder blieb weiterhin im Dienst und bekam lediglich eine bedingte Strafe von acht Monaten.
5. Dezember 2018: Ajset S.
Ajset S. kam 2016 als Asylsuchende nach Österreich. Trotz der Diagnose einer schweren Krebserkrankung, wegen der sie in Graz behandelt wurde, wurde die Frau nach Tschetschenien abgeschoben. Dort hatte sie keinen Zugang zu medizinischer Versorgung und erlag ihrer Krankheit.
12. Juni 2019:
Im Wiener Polizeianhaltezentrum (PAZ) Rossauer Lände ist ein 58-jähriger Mann aus Ungarn, der sich dort in Schubhaft befand, am Morgen des 12. Juni 2019 tot in seiner Zelle aufgefunden worden. Die Diakonie Österreich hatte ihn aufgrund seines schlechten Gesundheitszustands als haftunfähig eingestuft. Die Behörden übergingen diese Bedenken.