Augenzeugenbericht von der Räumung des Lobau-Protest-Camps

Der Plan der Wiener SPÖ das Lobau-Protest-Camps Hausfeldstraße möglichst unbemerkt und kritiklos verlaufen zu lassen, ist kläglich gescheitert. Mit allen Mitteln versuchte sie Aktivist_innen an der Teilnahme am Protest zu hindern. Die U-Bahnstation Hausfeldstraße wurde genauso wie umliegende Bus- und Straßenbahnstationen gesperrt. Die Polizei kontrollierte die Wege in Richtung Camp. Aktivist_innen und solidarische Menschen organisierten spontan Autoshuttles von der U2-Station Aspernstraße zum Ort der Räumung. Wir selbst wurden von einer solidarischen Mitarbeiterin der Stadt Wien spontan zum Camp gefahren. „Auch wenn der Ludwig mein Chef ist und ich darum nicht direkt vor Ort gesehen werden will. So habe ich zumindest eine Möglichkeit euch zu unterstützen.“ Schon um 10 Uhr waren hunderte Aktivist_innen vor Ort und blockierten die Räumung. Zwei Stunden später hatte sich diese Zahl vervielfacht. Mehrmals wurden Bagger und Gefangenentransporter blockiert, Bäume über Stunden besetzt gehalten und Polizeiabsperrungen durchbrochen. Im Laufe der Proteste wurden mindestens 40 Aktivist_innen verhaftet, darunter auch Aktivist_innen von Linkswende jetzt.
3. Februar 2022 |

Es waren viel mehr Menschen beteiligt, als das klassische zivile Ungehorsams-Umfeld der Klimaschutzbewegung. Von Langzeit-Klimaaktivist_innen, Schüler_innen und Studierenden, die zum ersten Mal beim Lobau-Camp waren, über Eltern, die ihre Kinder beim Kampf für eine bessere Zukunft unterstützen wollten, bis zu organisierten Linken, war alles vor Ort, um die Räumung zu blockieren.

Direkt zu Beginn der Räumung hatten sich Aktivist_innen in der Pyramide – dem zentralen Bauwerk des Camps – angekettet und umliegende Bäume und Bagger besetzt. Spätestens nach dem ersten erfolgreichen Durchbruchen der Polizeisperren zur Baustelle war klar, dass diese Räumung nicht widerstandslos ablaufen würde. Es kam zu den ersten Verhaftungen, Personen, die am Boden lagen und sich nicht wehrten, wurden dabei mit Knien niedergedrückt. Inzwischen hatte sich eine Masse an Menschen um den Bauzaun versammelt, die sich nicht von dieser Repression einschüchtern ließen. Immer wieder gelang es Aktivist_innen in das Baustellengelände durchzudringen, von wo sie gewaltvoll weggetragen wurden. Andere Aktivist_innen blockierten die Gefangenentransporter.

Auch das brutale Vorgehen der Polizei mit Pfefferspray und Schmerzgriffen, mindestens eine Person musste aufgrund Verletzungen ins Krankenhaus gebracht werden, konnten den radikalen und gewaltfreien Protest nicht abschwächen. Der Pressesprecher der Polizei behauptete, im Rahmen der Proteste wurde Pfefferspray gegen sie eingesetzt. Bis jetzt gibt es keine einzige Bestätigung dafür. Auf Bildern ist nur zu sehen wie sich Polizisten versehentlich selbst pfefferten. Ein Journalist wurde von Beamten zu Boden gestoßen.

Es dauerte Stunden, bis die Polizei die Lage völlig unter Kontrolle hatte und mit dem Abriss des Camps beginnen konnte.

Will die SPÖ für Klimaschützer_innen unwählbar werden?

Die SPÖ versucht alles um für die jungen Menschen unwählbar zu werden, auf denen all unsere Hoffnungen liegen. Über 50 Klagsdrohungen verschickte eine SPÖ-Anwaltskanzlei an Aktivist_innen, unabhängige Wissenschaftler_innen und Kinder.

Nach dem Mordanschlag auf acht Aktivist_innen schaffte es der Wiener Bürgermeister nicht sich klar von Terrorismus zu distanzieren. Gleichzeitig hat die SPÖ Wien nichts besseres zu tun, als gemeinsam mit der FPÖ am Holocaustgedenktag einige Farbbeutel auf die Burschenschaft Olympia als linke Gewalttat zu verurteilen und diese harmlose antifaschistische Aktion auf eine Stufe mit dem Mordanschlag im Lobaucamp zu stellen. Die Räumung eines friedlichen Protestes, der entlang der wissenschaftlichen Logik öffentliche Verkehrsmittel anstelle neuer Autobahnen fordert, ist die konsequenteste Fortsetzung dieser reaktionären Politik. Die Aktivist_innen sind zurecht wütend auf die SPÖ: Gerade die sozialdemokratische Partei, sollte im Kampf gegen die Klimakrise auf unserer Seite stehen.

Psychische Folter der Polizei

Wie die SPÖ alles versucht um für Klimaschützer_innen unwählbar zu werden, versucht die Polizei alles um ihrer Rolle als repressive Kraft gegen soziale und ökologische Bewegungen gerecht zu werden. Vollkommen unbegründet wurde Menschen, die sich nicht zur Wehr setzen, Handschellen angelegt, um sie psychisch einzuschüchtern und zu foltern. Über Stunden mussten Aktivist_innen in den Gefangentransportern Handschellen tragen, sogar während der Fahrt – ohne Sicherheitsgurte! Eine Vollbremsung genügt für schwere Kopfverletzungen.

Andere Aktivist_innen wurden in Handschellen frierend im Freien stehen gelassen, stundenlang in Einzelzellen festgehalten und mit Untersuchungshaft bedroht. Nachdem die Polizisten nach meiner Verhaftung die rechte Seite der Handschellen nicht mehr öffnen konnten, wurden sie mir vom Handgelenk weggeflext. Der einzige Schutz, ein paar Spritzer Wasser und ein Fetzen Stoff. Zumindest zwei der umstehenden Polizisten hatten sichtbar Spaß an ihrer absoluten Machtposition. 

Andere Aktivist_innen berichteten davon wie Polizisten während der Räumung Kommentare wie „Weniger fad wärs, wenns was zu prügeln gäbe“, äußerten. Oder: „können wir sie nicht einfach an den Haaren aus der Sitzblockade reißen?“ Wer nicht aktiv Spaß dran hatte gegen uns vorzugehen, war sich seiner Rolle als nichts in Frage stellende Gewaltenexekutive des Staates mehr als bewusst. „Was bin ich, ich bin nur ein Lemming“, sagte einer, als er von einem Demonstranten auf seine politische Meinung hin befragt wurde, oder eine andere „Es ist mir verboten, dass ich eine Meinung habe, also habe ich auch keine.“

Rossauer Lände: Symbol der Unterdrückung

Die Gefangenen wurden in das Polizeianhaltezentrum Rossauer Lände überführt. Ein Symbol nicht nur für politische Unterdrückung, sondern Ausdruck des rassistischen Rechtssystems. In der Rossauer Lände befinden sich auch Flüchtlinge, welche in der Hoffnung auf ein besseres Leben nach Österreich kamen und jetzt von Abschiebung bedroht sind. Die Klimakatastrophe wird in den kommenden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen zur Flucht zwingen. Wenn wir den Klimawandel wirkungsvoll bekämpfen wollen, müssen wir mit ihnen solidarisch sein.

Ein von Abschiebung bedrohter Mitgefangener zeigte sich überrascht, dass plötzlich so viele Österreicher_innen festgenommen wurden, stand aber direkt mit guten Ratschlägen zur Seite. „Reg dich nicht so auf, ich bin seit fünf Tagen hier. Mach ein paar Liegestütze und Kniebeugen und leg dich schlafen, mehr kannst du eh nicht tun.“

Die Polizisten im PAZ waren sich auch um keinen sexistischen und rassistischen Kommentar zu blöd. „Hol mal die Prinzesserl da raus“, wurde wir begrüßt, ein anderer sagte abfällig: „des ist a Ausländerin vom Namen, schaut gar ned so aus“. Von der Mehrzahl der Verhafteten konnte die Polizei die Identität nicht feststellen. Wir wurden für 24 Stunden in eine Zelle gesteckt, wo die Polizisten mit allen psychologischen Tricks und Spielchen versuchte, uns zum Reden zu bringen. Dabei waren sie jedoch nicht besonders originell. Vom typischen Good-Cop, Bad-Cop Spielchen, bis hin zu „eure Mitstreiterinnen Michael und Isabella haben uns brav alle Daten angegeben und sind schon daheim“, blieb uns nichts erspart. Drei Mal wurden wir allein in der Nacht aufgeweckt, unter dem Vorwand zu fragen, ob wir inzwischen unseren Namen preisgeben wollten oder um uns zur Gesundenuntersuchung zu schicken.

Trotz Gefängnis gute Stimmung

Trotz all dieser Schikanen war die Stimmung im Anhaltezentrum Rossauer Lände ungebrochen gut. Immer wieder erschallten Sprechchöre „Lobau bleibt“ und „Klimaschutz ist kein Verbrechen“ durch die Gefängnismauern. Mit Klopfen verständigte man sich mit den Zimmernachbarn, spielte Spiele, führte politische Diskussionen und quatschte. Unsere gute Laune ging den Polizist_innen, die sich alle Mühe gaben, autoritär auf uns zu wirken, sichtlich auf den Nerv.

Nach unserer Freilassung wurden wir bereits von Aktivist_innen aus dem PAZ Support erwartet, die uns mit Kuchen und Getränken versorgten. Als wir hörten, dass noch am Abend der Räumung über 2.000 Leute mobilisiert werden konnten, die gegen die klimafeindliche Politik der SPÖ demonstrierten, waren gleich alle wieder top motiviert und vernetzten sich für künftige Aktionen.

FPÖ: Partei der Klimawandelleugner

Die FPÖ ist nicht nur offen rechtsextrem sondern positioniert sich seit Jahren als die Partei der Klimawandelleugner. Ganz im Stile von Trump und Co. schürt sie Misstrauen in die Wissenschaft und macht Menschen für Verschwörungstheorien empfänglich. Während die FPÖ nach dem Brandanschlag auf das Camp behauptete Aktivist_innen hätten den Holzturm selbst angezündet, forderte sie diesmal in klassisch rechtsextremer Rhetorik „Erziehungscamps“ für die Lobau-Aktivist_innen.

Widerstand wird weitergehen

Die Lobau-Proteste sind aktuell der Mittelpunkt der österreichischen Klimabewegung. Es gelingt ihnen, breite Teile der Gesellschaft gegen Politik und Wirtschaftsinteressen in Stellung zu bringen. Genauso eröffnen sie auch die Möglichkeit die Straßen von den rechten Coronaaufmärschen mit progressiven Bewegungen zurückzuerobern. Als Linke sollten wir alles tun, um die Proteste zu unterstützen.