Besetzungen und Arbeitermacht in Spanien
Die CNT (Anarchistischer Gewerkschaftsbund) wurde am 1. November 1910 in Barcelona gegründet und war ein Zusammenschluss der verschiedener anarchistischen Einzelgewerkschaften. Es gelang der CNT, sich einerseits durch militante Streiks und Straßenkämpfe, andererseits durch konsequenten Kampf für einzelne Reformen eine breite Basis in der Arbeiter_innenklasse zu erarbeiten.
Wegen der politisch extrem angespannten Situation Anfang der 1930er-Jahre gab es innerhalb der CNT Streit über ihre politische Ausrichtung, sollte man für Reformen oder die Revolution eintreten. Die FAI (linksradikale Fraktion inner- und außerhalb der CNT) setzte sich durch. Von da an arbeitete die CNT auf eine soziale Revolution hin. Sie rief zum Boykott von Wahlen auf, Generalstreiks mit anschließenden Aufständen standen auf der Tagesordnung. Beispielsweise kam es im Oktober 1934 zur sogenannten Kommune von Asturien (Bundesstaat im Nordwesten), in der tausende Bergarbeiter gegen die rechte Regierung aufstanden; ganze Städte wurden unter Arbeiter_innenkontolle gestellt. Die Republik beauftragte Franco die Revolte niederzuschlagen.
Revolution
Bei den Wahlen 1936 gewann die „Volksfront“, ein Bündnis aus linken Republikanern, Sozialdemokraten, Sowjetunion-treue Kommunisten und einigen kleineren Parteien. Die CNT rief dazu auf, sie zu wählen. Die „Volksfront“ wollte zwar weder Bürgerkrieg noch Revolution sondern Reformen, doch zahlreiche Arbeiter_innen sahen den Sieg als ersten Schritt zum Sturz des Kapitalismus. Es kam zu Massenstreiks und Fabrikbesetzungen.
Als Franco am 17. Juli 1936 putschte, rief die CNT am Tag darauf zu einem Generalstreik auf. Eigentlich war es als rein defensive Aktion zur Verteidigung der Republik gedacht, doch die Massen gingen viel weiter. In tausenden Fabriken entstanden Arbeiter_innenräte und die Eigentümer wurden hinausgeworfen, am Land kam es zu Enteignungen der Großgrundbesitzer. Wenige Wochen nach dem Putsch kontrollierten Arbeiter_innenräte über 80% aller Fabriken in Barcelona.
In tausenden Fabriken entstanden Arbeiter_innenräte und die Eigentümer wurden hinausgeworfen, am Land kam es zu Enteignungen der Großgrundbesitzer.
Auch wenn Liberale es nicht glauben können, die Produktion brach nicht zusammen; meistens konnte sie sogar gesteigert werden. Der den Anarchisten wohlgesonnene Historiker Heleno Saña schätzt, dass die landwirtschaftliche Produktion in Katalonien um über 40% gesteigert wurde.
Doch die Arbeitermacht beschränkte sich nicht nur auf die Fabriken, anstatt Polizisten patrouillierten bewaffnete Arbeiter_innen durch die Straßen. In den anderen Zentren der Revolution Valencia und Aragon war die Situation ähnlich. Der bürgerliche Staatsapparat hatte hier im Moment keinerlei reale Macht, was viele Arbeiter_innen zu dem Irrglauben führte, die Revolution sei schon längst gewonnen. Eines der radikalen Experimente der Revolution fand in Aragon statt: Bargeld und individueller Besitz wurden de facto abgeschafft. Lebensmittel und Wohnraum wurden von demokratisch gewählten Komitees verteilt.
Konterrevolution
Die „Volksfront“ war gegen die Revolution, musste sie anfangs aber akzeptieren. Bei der Regierungsumbildung am 4. September 1936 wurde Sozialdemokrat Largo Caballero mit Unterstützung von Stalin neuer Präsident. Er setzte auf eine schleichende Konterrevolution. Anfangs wollte er die Armee unter ein zentrales Kommando bringen, das war sinnvoll, weil die Truppen unorganisiert waren und öfters unnötige Niederlagen einsteckten. Die CNT unterstützte dieses Ansinnen, doch sie wollte die Armee unter Arbeiter_innenkontolle stellen.
Von da an verfolgte Caballero eine geschickte Politik: Einerseits erfüllte er einige Forderungen der Arbeiter_innen, z.B. das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, Acht-Stunden-Tag und vieles mehr. Andererseits wurden die lokalen Komitees, welche den Putsch abwehrten, aufgelöst und durch Volksfront-Komitees ersetzt; den Arbeiter_innenräten wurden staatliche Bürokraten vorgesetzt, welche die Produktion zuerst im Auftrag des Staates leiteten und später die Fabriken ihren Besitzern zurückgaben.
Dazu trat er eine Kampagne gegen die Linksradikalen los, deren Höhepunkt ein Angriff von „Volksfront-Truppen“ auf eine von Anarchisten kontrollierte Telefonzentrale am 4. Mai 1937 war. Nachdem Arbeiter_innen den Angriff zurückschlugen, forderten sie die CNT auf, die Macht in Barcelona zu übernehmen. Doch sie weigerte sich mit dem Argument, sie wolle keine „anarchistische Diktatur“ errichten.
Das führt uns zum Kern des Problems. Obwohl die CNT seit 1933 auf eine Revolution hinarbeitete, hatte sie relativ wenig Plan, was in einer Revolution zu tun sei. Sie konnten sich nie entscheiden, ob sie zuerst Franco besiegen oder gleich zur Revolution schreiten sollten. Deshalb verabsäumten sie es, eine organisierte Gegenmacht der Arbeiter_innenklasse zur reformistischen „Volksfrontregierung“ aufzubauen.
Es gab zwar tausende Räte und Komitees, doch diese arbeiteten getrennt voneinander und waren nicht dazu in der Lage, gemeinsame Beschlüsse zu treffen. Jeder Rat hatte eigene Vorstellungen und Ziele, manche wollten Revolution, andere die parlamentarische Demokratie oder sich mit kulturellen Themen beschäftigen.
Diese Vielfältigkeit und Planlosigkeit machte es der Volksfront einfach, die Räte zu überlisten und langsam aber sicher abzuschaffen. Der britische Marxist Andy Durgan resümiert treffend: „Nicht bereit eine neue Macht zu errichten, halfen die spanischen Anarcho-Syndikalisten dabei die alte wieder aufzubauen.“
Nachdem 1937 die Revolution besiegt wurde, gewann Franco zwei Jahre später auch den Bürgerkrieg und errichtete seine Diktatur.
Buchtipp: „Mein Katalonien“ von George Orwell. In seinem autobiographischen Roman beschreibt George Orwell seine Erlebnisse im Spanischen Bürgerkrieg, als er gemeinsam mit Arbeiter_innen gegen die Putschisten kämpfte. Das Buch gibt es online zu lesen auf www.nemesis.marxists.org