Frankreich: Sozialisten bezahlen für Rechtsruck
Unter der früheren sozialdemokratischen Regierung wurden Arbeitsrechte aufgeweicht, Gewerkschaften attackiert und Mindestlöhne gesenkt. Nach den Terroranschlägen im November 2015 verkündete sie einen, ursprünglich nur für sechs Monate geltenden, Ausnahmezustand. Dieser hält bis heute an und wird vom neuen französischen Präsidenten Macron erneut verlängert, angeblich „nur“ bis November.
Der Ausnahmezustand bedeutet de facto, dass die französische Polizei in Armenvierteln und auf Demonstrationen wie eine Besatzungsarmee auftritt. Ähnlich wie in den USA häufen sich Ermordungen von Schwarzen, Muslimen und Asiaten durch die Polizei.
Kompliziertes Wahlsystem
Das Parlament wird in Frankreich, ähnlich wie in England, nach einem Mehrheitswahlrecht innerhalb von Wahlkreisen gewählt. Es gibt insgesamt 577 Wahlkreise und ein Kandidat hat einen Wahlkreis gewonnen, wenn er eine absolute Mehrheit hat. Gibt es im ersten Wahlgang keine absolute Mehrheit kommt es zu einem zweiten Wahlgang, in dem nur die Kandidaten antreten dürfen, die über 12,5% der Stimmen (im Wahlkreis) erreicht haben.
Aufgrund dieses Wahlsystems und der relativen Machtlosigkeit des Parlaments gegenüber dem Präsidenten, ist die Wahlbeteiligung traditionell niedrig. Außerdem gilt zu berücksichtigen, dass kleinere Parteien im zweiten Wahlgang zwangläufig weniger Stimmen haben als im ersten.
Quittung für die französische Sozialdemokratie
Die französische Sozialdemokratie (PS) hat den Rechtstruck, den die österreichische Sozialdemokratie gerade vollzieht, schon abgeschlossen. Er bescherte ihnen einen Absturz in die Bedeutungslosigkeit! Für die Jahre neoliberaler Politik, Rassismus und Überwachung erhielten sie sowohl bei den Präsidentschaftswahlen als auch bei den Parlamentswahlen eine gnadenlose Quittung.
In den Präsidentschaftswahlen kam Hamon, der Kandidat der Sozialdemokraten, auf traurige 6,4% der Stimmen. Bei den Parlamentswahlen stürzten sie von 284 Sitzen (absolute Mehrheit) auf vernichtende 48 ab. Im zweiten Wahlgang erhielten sie gerade einmal 1 Million Stimmen.
Teilweise gelang es der politischen Linken vom Absturz der Sozialdemokratie zu profitieren. Schon in den Präsidentschaftswahlen erhielt der Linke Mélenchon 19% der Stimmen, immerhin drei Mal so viele wie Hamon. In der zweiten Runde der Parlamentswahlen erhielten Mélenchons Partei (France Insoumise) und die KP gemeinsam eine Million Stimmen und halten jetzt 25 Sitze.
Front National profitiert
Auch dem Front National gelang es teilweise aus dem Versagen der PS Profit zu schlagen. In der Präsidentschaftswahl feierte Le Pen das beste Ergebnis in der Geschichte des Front National. Sie erhielt über 10 Millionen Stimmen, eine sehr ernste Warnung! In der zweiten Runde der Parlamentswahlen erhielt der Front National 1,5 Millionen Stimmen und hält nun acht Sitze im Parlament, zuvor waren es nur zwei.
Besonders in den ehemaligen Industriestädten schnitt der Front National gut ab. Ein Beispiel für das Versagen der PS: 2011 kam der Sozialist und Präsidentschaftskandidat François Hollande in die Industriestadt Hayange und gab dort genau ein Versprechen: „Die Hochöfen werden weiterlaufen.“ Er wurde Präsident, zwei Jahre später schloss die gesamte Industrie. Zehntausende wurden arbeitslos. Der Front National versprach die Industrie zurückzubringen und wurde gewählt. Ähnlich wie bei den Parlamentswahlen gewann er nicht aufgrund der eigenen Stärke, sondern aufgrund der Mobilisierungsschwäche der anderen.
Macron wird die Politik des neoliberalen Kahlschlags, des Rassismus und der Überwachung weiterverfolgen. Wenn es der Linken nicht gelingt dagegen massenhaften Widerstand aufzubauen, steht einem Wahlsieg von Le Pen 2022 nichts im Wege. Das gute Abschneiden der Linken, die Kampfbereitschaft der Gewerkschaften und die geringe Legitimation Macrons wären ein guter Startpunkt.