Frauenpower gegen Abschiebungen!

Frauen spielen eine zentrale Rolle in der Widerstandsbewegung gegen die Deportation von Flüchtlingen. Sie geben vielen Menschen Hoffnung auf eine Änderung der Politik. Wir haben mit einigen darüber gesprochen, wie sie aktiv wurden und was sie motiviert.
20. November 2016 |

Sonia Feiger ist Jüdin, lebt in Wien und ist seit ihrem 20. Lebensjahr in verschiedenen wohltätigen Vereinen und Organisationen ehrenamtlich tätig gewesen. Im vergangenen Jahr wurde sie viele andere an den Bahnhöfen aktiv. Sonia meint: „Ich war am Westbahnhof im Kidscorner und brachte koscheres Essen dorthin.“ Um die Arbeit besser zu koordinieren, gründeten sie den Verein Shalom Alaikum – Jewish Aid for Refugees. „Es war uns wichtig als jüdische Menschen auf die hauptsächlich moslemischen Flüchtlinge zuzugehen. Sie waren diejenigen, die jetzt unsere Hilfe brauchten.“

Sonia unterstützt Flüchtlinge so gut es geht, sammelt Spenden, organisiert Kleiderbazare und kümmert sich um Rechtsbeistand. Ihre Motivation ist größer denn je. Sie sagt:  „Das Verhalten der österreichischen Politik, die Hetze gegen Moslems, das zwanghafte Schüren der Ängste und der aufsteigende Rassismus in Österreich, erfordern mehr denn je den Einsatz einer mutigen Zivilgesellschaft, die Haltung und Rückgrat zeigt.“

Hoffnung

Gerlinde Buchberger aus Bad Vöslau politisierte sich über ihr Studium und wurde bei Amnesty International aktiv. Dann entbrannte vor zehn Jahren eine Debatte über den Bau einer Moschee. „Die FPÖ marschierte mit Rosenkranz, Strache und Co auf. Damals beschlossen wir – einige Österreicherinnen und türkische Frauen – die Gründung einer interkulturellen Frauengruppe namens Frauenvielfalt“, erinnert sich Gerlinde. „Die gibt es auch heute noch und hat inzwischen auch Mitglieder aus der Mongolei, aus Syrien, Afghanistan, Uganda, Indien.“

Gerlinde Buchberger (4. von links am Banner) und ihre Truppe in Bad Vöslau. Foto: privat
Gerlinde Buchberger (4. von links am Banner) und ihre Truppe in Bad Vöslau. Foto: privat

Viele von ihnen haben im letzten Jahr Flüchtlinge mit Deutschkursen, Behörden- und Arztbesuchen und bei der Wohnungssuche unterstützt. Gerlinde und ihre Crew (sie insistiert, es sind bei weitem nicht nur Frauen, die aktiv sind) machten dann auch bei den österreichweiten Mahnwachen mit. Sie sagt: „Dass ich im Alter jetzt eher noch militanter werde, hängt mit der derzeitigen politischen Situation zusammen. Entweder ich tue etwas, oder ich werde depressiv. Daher lieber das erstere!“

Dominique Cruyff aus Liesing erzählt: „Mich hat schockiert, wie die Stimmung mit einem Mal so gruselig geworden, so umgeschwungen ist“. Dann kamen die Abschiebungen im Herbst hinzu. „Meine 12-jährige Tochter verlor einen lieben Freund und Mitschüler.“ Dominique betreut einen Flüchtling persönlich. Das motiviert sie, ebenso wie „die Solidarität, die ich bei so vielen anderen spüre, die sich auch für Heimatvertriebene einsetzen“.

Menschlichkeit

Aiko Kazuko Kurosaki ist Künstlerin und Tänzerin, aktiv in der Plattform 20.000 Frauen und Mitorganisatorin der Demonstration #LetThemStay am 26. November. Noch als kleines Kind kam Aiko aus Japan nach Österreich und hat aufgrund ihres „asiatischen Aussehens“ Rassismus am eigenen Leib erlebt. „Wenn mehr Menschen diese Erfahrungen machen würden, dann würde ihnen klar werden, dass Grenzen, Religionskriege und Rassismus völlig absurd sind.“ Sie kämpft für eine solidarische Gesellschaft und würde alles tun, „damit wir unsere Menschlichkeit nicht verlieren“.

Die SPÖ-Stadträtin von Bad Ischl, Ines Schiller, ist seit vielen Jahren in der Sozialhilfe wie bei der Volkshilfe Österreich tätig. 2012 wurde im Ort das erste Flüchtlingsquartiert eröffnet. „In der zweiten Woche habe ich die Menschen dort kennengelernt, seit diesem Tag helfe ich mit. Sie sind mir wirklich ans Herz gewachsen“, meint Ines. Wie viele andere motiviert sie der drohende Rechtsruck. Sie sagt: „Aufgeben würde auch heißen, dass wir in eine Zeit zurückkehren, in der wir schon mal waren!“

Wende in der Politik

Margit Huber aus Groß-Enzersdorf war schon immer gesellschaftspolitisch engagiert. Sie setzte sich etwa gegen den Bau einer Autobahn durch den Nationalpark Donau-Auen ein. Dann marschierten im letzten Sommer Flüchtlinge über die ungarische Grenze. Sie erzählt: „Ich bin mit einer Freundin spontan nach Nickelsdorf gefahren, um Kleidung hinzubringen. Die frierenden, kranken, verzweifelten Menschenmassen haben mich sehr berührt.“ In der Folge half sie am Hauptbahnhof mit und gründete mit anderen die Initiative Willkommen in Groß-Enzersdorf.

Koordinierte Mahnwachen weiten Bewegung gegen Deportationen aus

Koordinierte Mahnwachen weiten Bewegung gegen Deportationen aus

Margit treibt zwei Dinge besonders an. „Es motiviert mich ungemein zu sehen, wie fleißig und schnell sie Deutsch lernen, wie dankbar sie für jede Hilfe sind und wie sie langsam anfangen, über ihre traumatischen Erlebnisse sprechen zu können“, meint sie. Aber es gibt noch einen zweiten Faktor – die „herzlose und menschenverachtende“ Politik. Margit will an einer Kurskorrektur mitwirken und einen Staat verhindern, wie es ihn schon einmal gab. „Damals hat meine Urgroßmutter mutig dagegen gekämpft und Nein gesagt und Menschen versteckt, weil die Politik gegen alles ging, woran sie geglaubt hat.“

Großdemonstration #LetThemStay#LasstSieBleiben: 26. November, 14 Uhr Westbahnhof. Mehr Infos: menschliche-asylpolitik.at | Facebook
Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.