Islamfeindliche Raab-Konferenz soll von ÖVP-Debakel ablenken
Ziel des Treffen sei „der internationale Austausch auf politischer und Fachebene über die Ideologien, Netzwerke, Akteure und Aktivitäten des Politischen Islam in Europa sowie Maßnahmen, wie diese bekämpft werden können.“ Es gibt einen Cartoon in Frankreich, da stehen zwei Politiker vor einer renovierungsbedürftigen Schule. Der eine Politiker sagt: „Shit, es regnet schon durchs Schuldach.“ Der andere Politiker antwortet: „Oje, da brauchen wir sofort eine Islam-Debatte.“ Genauso wie mit der kaputten Schule ist es um die marode Kurz-ÖVP bestellt und Ministerin Raab sucht mit antimuslimischen Rassismus einen Ausweg.
Dabei helfen der ÖVP wie schon in der Vergangenheit die Macht ihrer Ämter und gleichgesinnte Akademiker. Verfestigt wird der Rassismus immer auch durch intellektuelle Theorien, insbesondere durch pseudo-akademische Arbeiten, auf die sich dann wieder die Politik, stützen kann. Ausgewählte „Expert_innen“, welche die Studien und ihren Lebensunterhalt recht direkt oder indirekt über die politischen Auftraggeber finanzieren, liefern die gewünschten Ergebnisse.
Der umtriebige Dr. Lorenzo Vidino wird als Experte bei der Konferenz angeführt. Er erstellte schon eine Studie „Die Muslimbruderschaft in Österreich“ in Zusammenarbeit mit der Universität Wien, unterstützt vom Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung sowie dem ÖVP-nahen Österreichischen Integrationsfonds. Bei der Begründung für die Razzien der „Operation Luxor“ stützte sich der Staatsanwalt juristisch stark auf Vidino als „Sachverständigen“. Letztlich erklärte das Oberlandesgericht Graz die brutalen Hausdurchsuchungen für illegal und stellte fest, dass der Generalverdacht gegen jeden Muslimbruder, er sei „gleichzeitig auch ein Mitglied oder Förderer einer terroristischen Vereinigung“ unzulässig ist.
Rassismus unterlegt ÖVP mit Hilfe von „Experten“
Der Leiter des wissenschaftlichen Beirats der Dokumentationsstelle Politischer Islam Mouhanad Khorchide verweist auf die Gefahr des „legalistischen Islamismus“, der „vordergründig die bestehenden Rechts- und Politikverhältnisse anerkennt“. Natürlich darf er bei Raabs Konferenz nicht fehlen. Dazu kommen – neben den oben beschriebenen – international bekannte „Expert_innen“, wie Lene Kühle, die sich selbst als „kulturelle Christin“ bezeichnet.
Die Dokumentationsstelle ist das Prestigeprojekt von Susanne Raab und das dort tätige Personal dementsprechend. Neben Khorchide sind weitere Mitglieder des Beirates Leute wie Lorenzo Vidino oder Heiko Heinisch, der gemeinsam mit Nina Scholz als Gerichtsgutachter in der Causa Muslimbrüder fungiert. Nicht nur Anwälte kritisieren Befangenheit und fehlende Qualifikation. Der Historiker und Journalist Raimund Löw schrieb: „Die bisherigen Gutachter, Heiko Heinisch und Nina Scholz, sind mit Kampfschriften gegen den sogenannten politischen Islam hervorgetreten.“
Muslime im Visier der ÖVP
Publikationen der Dokumentationsstelle uns erklären, dass politische Muslim_innen gefährlich sind. Die Lage ist aber umgekehrt: Gefahr droht muslimischen Menschen durch die Dokumentationsstelle. Sie überarbeitete ein altes Projekt von Ednan Aslan. Die digitale „Islam-Landkarte“, mit Adressen von islamischen Vereinen und Privatpersonen wanderten Rechtsextreme ab und brachten Schilder vor mehreren Moscheen in Wien an, mit der Aufschrift: „Achtung! Politischer Islam in deiner Nähe“. An der Eingangstür einer Salzburger Moschee war zu lesen: „Der Führer ist wieder zurück“. In Graz umkreiste ein Mann die Gläubigen vor einer Moschee mit dem Auto und urinierte gegen das Religionsgebäude.
Seit 2014 die Integrationsagenden in das Außenministerium von Sebastian Kurz gelegt wurden, wurden aus selbigem Ministerium vor allem über den Österreichischen Integrationsfonds immer wieder rassistische Studien in Auftrag gegeben: so die berüchtigte „Moscheestudie“ oder die fabrizierte, wissenschaftlich heftig kritisierte Arbeit über islamische Kindergärten des Wiener Religionspädagogen Ednan Aslan. Die Wochenzeitung Falter deckte 903 Änderungen allein in der „Vorstudie“ über islamische Kindergärten durch zwei Ministerialbeamte auf. Zum Beispiel: Muslimische Eltern wünschen sich Kinder „Werte wie Respekt, Gelassenheit, Individualität des Kindes, Hygiene, Zufriedenheit der Kinder, Pünktlichkeit, Liebe, Wärme und Geborgenheit, Selbständigkeit und Transparenz der Regeln“, so schreibt Aslan in seiner Originalfassung. Daraus wurde stattdessen: „Besonders wichtig ist ihnen (den Eltern, Anm.), dass den Kindern islamische Werte vermittelt werden“. Die Medien verbreiteten die Botschaft der ÖVP hysterisch.
Null-Toleranz-Politiker sollen Schwächen zudecken
Eingeladene Politiker zur Raab-Konferenz ist der dänische Minister für Immigration und Integration Matthias Tesfaye. Der rechte Sozialdemokrat Tesfaye ist bei den Rassisten beliebt. Er meint das Bürgerkriegsland Syrien sei sicher genug für eine Rückkehr und will Asylzentren in Drittstaaten außerhalb der EU errichten. Tesfaye verhandelt mit Ländern wie Ruanda, Ägypten oder Tunesien deswegen. Selbst Asylberechtigte sollen im Drittland bleiben müssen. Massive Kritik daran kam von der EU-Kommission und dem UNO-Flüchtlingshochkommissariat.
Für das französische Innenministerium kommt Marlène Schiappa. Raab wird sie schätzen, heuer verurteilte der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Frankreich wegen unmenschlicher Lebensbedingungen für Asylsuchende. Angekündigt ist auch der flämische Vizepremier- und Integrationsminister Bart Somers. Der finnische Ex-Geheimdienstler und jetzige EU-Koordinator für Terrorismusbekämpfung Ilkka Salmi soll die Raab-Tagung angesichts der vielen Gefahren abrunden.
Ein Jahr nach den schrecklichen Terroranschlägen in der Wiener Innenstadt und dem Behördenversagen im Innenministerium setzt die einsturzgefährdete ÖVP auf Altbewährtes, auf Rassismus gegen Muslime und Flüchtlinge. Dass die Gefahr für Demokratie und Justiz in Österreich von der türkisen ÖVP ausgeht und nicht von der muslimischen Minderheit ist augenscheinlich. Ebenso offensichtlich ist, dass Skandal-Politiker wie Kurz, Blümel, Nehammer oder Raab sich nur an der Macht halten können, wenn wir uns mit ihrem Rassismus Sand in die Augen streuen lassen.