Notverordnung: Die Freiwilligen sollten das Land führen, nicht die Regierung!
Die Notverordnung ist die aktuellste und größte, aber nicht die erste Widerlichkeit der österreichischen Asylpolitik. Seit Kanzler Werner Faymann im Herbst 2015 den Slogan „Zurück zur Normalität“ ausgab, ist Österreich die Speerspitze der europäischen Anti-Flüchtlingspolitik. Zuerst erzwang die Regierung mit der Obergrenze und der Balkankonferenz die faktische Schließung der Grenzen, jetzt will sie in ganz Europa das Asylrecht abschaffen.
Dazu stellt die Organisation Ärzte Ohne Grenzen fest: „Die Notstandsverordnung wird Signalwirkung über Österreich hinaus haben. Wenn weitere Staaten diese Maßnahme übernehmen, wird das Grundrecht von Menschen schwer beschädigt, vor Krieg und Verfolgung aus ihren Heimatländern fliehen zu dürfen.“ Innerhalb von Monaten wird das Recht auf Asyl in ganz Europa Geschichte sein.
Notverordnung ohne Not
Wird die Notverordnung beschlossen, werden Asylanträge schon an der Grenze abgelehnt, und Asylsuchende werden ins jeweilige Nachbarland zurückgeschickt. Dadurch macht es die österreichische Regierung endgültig unmöglich, dass Flüchtlinge in Österreich Asyl bekommen. Argumentiert wird dieser Schritt mit der „Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes der inneren Sicherheit“. Jede Begründung für den Notstand wird von Fachleuten bestritten.
Man könnte noch viel mehr Flüchtlinge versorgen, unterbringen und ausbilden, wenn Geld in die Hand genommen würde und man den Helfer_innen nicht ständig Knüppel zwischen die Beine werfen würde. Die Ausrede, Österreich könnte sich das nicht mehr leisten, gilt nicht. Laut Finanzministerium schulden Unternehmen dem Staat rund 7,5 Milliarden Euro. Und zur Erinnerung: Die Bankenrettung hat die Steuerzahler_innen seit 2009 rund 11,4 Milliarden Euro gekostet.
Die von der Regierung für 2016 veranschlagten zwei Milliarden Euro „Flüchtlingskosten“ sind dagegen ein Schnäppchen! Und wäre es außerdem nicht spannend zu erfahren, wie viel davon die unnötigen Hercules- und Auslandseinsätze, Grenzzäune und die 39 österreichischen Frontex-Beamten in Bulgarien, Ungarn, Griechenland und Mazedonien kosten?
Krise selbstgemacht
Es ist richtig: die Wohnungskosten sind zu hoch und es gibt zu viele Arbeitslose. Doch diese Probleme wurden und werden von unserer Regierung geschaffen, nicht von Flüchtlingen. Schon bevor die Flüchtlinge 2015 nach Österreich kamen, waren Mieten und Arbeitslosigkeit zu hoch, auch wenn das die Regierung nicht wahrhaben will. Dasselbe gilt für den Mangel an Deutschlehrer_innen, Flüchtlingsbetreuer_innen und Psycholog_innen. Diese Mängel wurden von der Regierung mit voller Absicht produziert.
Seit Beginn der „Flüchtlingskrise“ wird von NGOs (und Teilen der SPÖ) gefordert, mehr Deutschkurse zur Verfügung zu stellen. Dass es zu wenige sind, liegt daran, dass die Regierung keine schafft. Eigentlich geht es, wie es der Generalsekretär von Amnesty International, Heinz Patzelt, formulierte, nicht um ein „wir können nicht, sondern wir wollen nicht“.
Widerstand ist möglich
Die Aussichten sind nicht unbedingt rosig. Dazu kommt noch, dass – dank des medialen und rechten Dauerfeuers, was Flüchtlinge nicht für gefährliche Menschen sind – die Bewegung für Solidarität mit Flüchtlingen nicht mehr so groß beziehungsweise nicht mehr so laut ist wie noch vor einem Jahr. Doch wir sollten auf keinen Fall vergessen, dass Tausende nach wie vor Hilfe leisten und sich daran erinnern, wie sie vor einem Jahr nächtelang an den Bahnhöfen bis zum Umfallen gearbeitet haben. Sie sollten das Land führen, nicht die Koalition.
Es war keine moralische Geste von Merkel und Faymann, als sie beschlossen hatten die Grenzen zu Ungarn zu öffnen. Die Flüchtlinge, die in ihren Ländern selbst Erfahrungen mit Protesten, Selbstorganisierung und Widerstand von unten gemacht hatten, setzten sich einfach ungefragt von Ungarn auf den Weg nach Österreich. Als dann auch noch Menschen in Österreich begannen nach Ungarn zu fahren, um den Flüchtlingen zu helfen, hatten Merkel und Faymann keine andere Wahl, als die Grenzen zu öffnen.
Am Samstag, 24. September, findet in Wien ein europaweiter Asylgipfel statt, an dem das „Ende der Willkommenskultur“ besiegelt werden soll. Die Plattform für eine menschliche Asylpolitik ruft unter dem Motto „Wir wollen das! Wir können das! Wir machen das!“ zum Protest um 13 Uhr vor dem Bundeskanzleramt auf.