Stimmen von der Demo gegen das Kopftuchverbot: „Hands off my sister, Herr Minister!“
Unter dem Motto „MuslimBanAustria: Mein Körper, mein Recht auf Selbstbestimmung“ gingen am 4. Februar rund 4.000 Menschen in Wien auf die Straße. Organisiert wurde die Demonstration vom Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft (NMZ), von der Dokustelle für Muslime und vom Jugendrat der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (JIGGiÖ). Sogar die amerikanische Neonazi-Website Breitbart fühlte sich bemüßigt über den Protest zu berichten. Der ehemalige Chefredakteur der Website, Stephen Bannon, ist mittlerweile Chefstratege von Donald Trump im Weißen Haus.
Mit Parolen wie „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr unsere Freiheit raubt!“ und „Hey Minister, hands off my sister!“ demonstrierten die Teilnehmer_innen gegen das geplante Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst und gegen das „Integrationspaket“ von „Desintegrations“-Minister Sebastian Kurz.
Rechte erkämpfen
„Das ist kein Integrationspaket, das ist ein Diskriminierungspaket,“ sagte die Politikwissenschaftlerin, Autorin und Frauenrechtsaktivistin Dr. Ishraga Mustafa in ihrer Rede. Die Frauenreferentin der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ), Amina Baghajati, appellierte vor allem an junge Frauen sich nicht entmutigen zu lassen: „Ihr habt das Potenzial, alles zu werden. Österreich kann gar nicht ohne euch! Wir stehen heute für die Neutralität und für die Pluralität.“
Elif Öztürk von der Dokustelle für Muslime erinnerte daran, wie hart sich Frauen ihre Rechte Jahrzehnte lang erkämpfen mussten. „Es gab Zeiten, in denen Frauen die Fähigkeit, rational handeln zu können, abgesprochen wurde. Es musste lange gekämpft werden, bis Frauen an ihrer Professionalität und Qualität gemessen wurden. Es ist ein Rückschritt, wenn wir ähnliche Debatten nochmal führen“, sagte Öztürk.
Selbstermächtigung
„Heute hat eine Gruppe von muslimischen Frauen in Österreich erstmalig einen solchen Protest unabhängig von den großen Verbandsstrukturen initiiert und durchgeführt. Wir freuen uns, dass sich uns so viele muslimische wie nicht-muslimische Verbände und Organisationen angeschlossen haben“, bedankte sich Gözde Taskaya (NMZ) für die Solidarität.
Deniz Eroglu-Koc (JIGGiÖ) war begeistert von der regen Teilnahme an der Demonstration: „Ganz besonders gefreut hat uns, dass die Führung der Frauen in der Community so gut akzeptiert wurde und die Männer sich mit uns solidarisch gezeigt haben, uns in unseren Anliegen zu unterstützen. Wir haben uns heute nicht nur für muslimische Frauen eingesetzt, sondern für alle Frauen und dafür, dass sie ihr Leben selbst bestimmen dürfen.“
Die Veranstalterinnen feiern die Demonstration als vollen Erfolg. In einer Stellungnahme schreiben sie: „Damit haben wir ein Zeichen gegen die geplante gesetzliche Diskriminierung von sichtbaren Musliminnen und für die Gleichbehandlung aller Menschen gesetzt. Die muslimische Frau darf nicht zu einem Objekt ohne Mitspracherecht degradiert werden, sie ist fähig, ihre Anliegen selbst zu vertreten.“
„Vertrumpung“ Österreichs
Die muslimische Feministin Naima Afia sagte gegenüber der Neuen Linkswende: „Wenn eine Linke sich ernsthaft gegen Diskriminierung jeder Art positionieren will und glaubwürdig solidarisch mit ALLEN, von Diskriminierung betroffenen Menschen ist, darf es keine Frage sein, ob mensch auch hier klare Positionen gegen die Bevormundung von Frauen einnimmt. ‚Halbe Solidarität‘ nützt nicht, weil manche Menschen nichts für sich mit einem Kleidungsstück oder der Weltanschauung der Betroffenen anfangen können. Das müssen sie nicht, darum geht es nicht. Es geht hier um Menschenrechte, das Recht auf Selbstbestimmung.“
Petra Unger betreibt Genderforschung. Sie hielt auf der Demonstration eine Rede und erklärte ihre aktive Solidarität: „Ich bin der Ansicht, dass die aktuelle Regierungspolitik die wahre Verschleierung ist. Es geht darum zu verschleiern, dass eine bestimmte Gruppe vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden soll. Es geht darum zu verschleiern, dass wir schon lange eine Trump-Politik haben – nämlich ‚Austria first‘… Die Grenzen sollen dicht gemacht werden und dicht bleiben, es geht um Verteilungskampf und eine rassistische Politik … Es geht darum zu verschleiern, dass all jene, die sich Frauenpolitik auf ihre Fahnen schreiben, Frauenpolitik in den letzten Jahren aktiv verhindert und boykottiert haben.“