Versagen der Regierung beschleunigt die Pandemie
Über 3.614 neu Infizierte sind am 24. Oktober in Österreich gemeldet worden, eine Steigerung von über 1000 gegenüber den 2.571 am Vortag registrierten Fällen. Die Regierung ist wohl alarmiert, aber deshalb trotzdem nicht bereit, die nötigen drastischen Maßnahmen zu setzen. Die Sommerferien gingen erst vor sieben Wochen zu Ende. Die Pandemie hat sich seither erschreckend schnell wieder ausgebreitet. Dabei sind wir noch gar nicht in den gefürchteten Wintermonaten angekommen. Am ersten Schultag hatten wir noch 3.668 aktive Fälle, am 24. Oktober sind es schon 26.923, eine Versiebenfachung in sieben Wochen. Die aussagekräftigere 7-Tage-Inzidenz, die angibt, wie viele neu gemeldete Corona-Infektionen pro 100.000 Einwohner im Zeitraum einer Woche auftreten, lag Anfang September noch unter 30. Ende Oktober hat sie in Österreich die Zahl von 170 überschritten. Zum Vergleich: In Deutschland gilt eine 7-Tage-Inzidenz von 50 als Warnstufe, ab der ein Landkreis oder eine Stadt aufgerufen ist, die Maßnahmen zu verschärfen.
Mut zur Schließung
Das Problem ist hier natürlich welche Maßnahmen ergriffen werden. Während des ersten Lockdowns kam es zu einem sehr weit reichenden Stillstand der Wirtschaft, nicht weil die Regierung die Betriebe geschlossen hatte, sondern weil die Warenketten beidseitig, auf Seiten der Zulieferer und der Abnehmer, zusammengebrochen sind. Betriebe, die produzieren konnten, taten das auch ohne jegliche Schutzmaßnahmen für die Belegschaften zu installieren, wie uns Betriebsräte berichteten. Aber sehr viele Betriebe mussten schließen und das war vermutlich ein wesentlicher Faktor zur Eindämmung der ersten Welle, der jetzt nicht zum Tragen kommt, weil die Regierung Betriebsschließungen um jeden Preis vermeiden will. Sie sollten alle Betriebe und Institutionen schließen, die nicht ausreichende Maßnahmen für den Schutz vor Ansteckungen ergriffen haben.
Schulen und Altersheime
Im Falle der Schulen, Kindergärten, Pflegeheimen und anderen öffentlichen Einrichtungen muss man die Verantwortung ganz direkt der Regierung oder den Lokalregierungen geben. Sie haben den ganzen Sommer verstreichen lassen, ohne Lüftungen einzubauen, oder neue Räume zu schaffen. Jetzt entsteht ein neuer Cluster nach dem anderen in diesen Einrichtungen. Ob wir jemals erfahren, wie viele Lehrer_innen oder Betreuer_innen deshalb erkrankt oder sogar verstorben sind?
Pandemie der Verarmung
Man muss aber nicht nur die Ausbreitung der Pandemie eindämmen, sondern auch die grassierende Armut infolge der Pandemie. Die Caritas berichtet, dass sich laufend Menschen bei ihnen melden, „die noch nie auf unsere Hilfe angewiesen waren.“ So stieg etwa in Teilen Niederösterreichs die Zahl der Erstkontakte in den Sozialberatungsstellen seit Jahresbeginn um 41 Prozent, in der Steiermark um 37 Prozent. Deshalb gehört dringend das gesamte System der Sozialhilfe- und Arbeitslosenunterstützung reformiert. Es braucht unabhängig davon, ob jemand einen regulären Vollzeitarbeitsplatz hatte, oder sich mit Werkverträgen oder anderen Anstellungsformen herumgeschlagen hat, eine Existenzsicherung, die den Namen verdient. Bekannterweise sind es vor allem Frauen und viel zu oft alleinerziehende Frauen, die mit ihren Kindern in die Armut abrutschen, eben weil der Staat nicht ausreichend für die ganztägige Betreuung von Kindern sorgt, und Mütter deshalb zu Teilzeitjobs verdammt sind. Schon vor der Corona-Krise galten 231.000 Kinder und Jugendliche laut offizieller Statistik als armutsgefährdet.
Gewerkschaften an die Front
Schon jetzt haben sich die Aussichten für Arbeitslose verschlechtert: 41 Prozent aller offiziell arbeitslos gemeldeten Menschen sind heute armutsgefährdet. Die Zahl wird in die Höhe schnellen, sobald der Mietenaufschub, der zu Beginn der Krise erlaubt wurde, ausläuft. Bis Ende Dezember sollen gestundete Mieten inklusive 4 Prozent Verzugszinsen zurückbezahlt werden. Wenn die Regierung das tatsächlich durchzieht, dann droht Vielen der Verlust ihrer Wohnung und eine hohe Verschuldung – ein Rezept für massenhafte Obdachlosigkeit.
Die Regierung hat den Sommer mit Warten zugebracht und so vermasselt, was vermasselt werden kann. Jetzt müssen die Gewerkschaften auf den Plan treten und erzwingen, wozu unsere Regierung nicht imstande ist – den Vorrang für den Schutz unserer Gesundheit vor den Profiten der Unternehmer.