SPÖ-Flügel um Kern will Massenlager für Flüchtlinge in Niger

Ex-Bundeskanzler Christian Kern und Ex-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil denken nicht daran, abzutreten. Sie wollen stattdessen die SPÖ weiter nach rechts führen und versuchen das beinahe Unmögliche: die Regierung in der Migrationspolitik rechts zu überholen.
9. August 2017 |

Kern und Doskozil wollen, wie Innenminister Herbert Kickl auch, Flüchtlinge in Lager außerhalb der EU stecken, aber nicht in Nordafrika, sondern in Niger. Der Vorschlag ist so absurd und praktisch unmöglich umsetzbar, dass er nur als politischer Vorstoß verstanden werden kann. Die beiden Herren wollen, dass die SPÖ als mindestens genauso so menschenfeindlich und rassistisch wahrgenommen wird, wie die beiden Regierungsparteien.

Dahinter dürfte ein Abwehrkampf des rechten Flügels der SPÖ stecken, der nach den verlorenen Wahlen und vor allem wegen des Versagens der SPÖ, Widerstand gegen den Kurs der Regierung zu leisten, jeden Grund hätte, abzutreten. Aber auch das völlig verkehrte Politikverständnis, demnach blanker Rassismus das einzige Erfolgsrezept in diesen Zeiten sei, was nicht einmal bei rechten Parteien stimmt, wie der Absturz der CSU unter Seehofer und seiner extrem rassistischen Flüchtlingspolitik beweist.

Niger?

Wie kommen die zwei politischen Versager auf Niger? Niger ist eines der ärmsten und trockensten Länder der Welt. In die Schlagzeilen kam es Ende 2017, als dort vier US-Soldaten ums Leben kamen und so die Weltöffentlichkeit erfahren musste, dass die USA ihre Militärpräsenz in Afrika klammheimlich ausweitet. Niger ist Teil einer militärischen Koalition, genannt die G5 Sahel Force, bestehend aus Burkina Faso, Tschad, Mali, Mauretanien und eben Niger.

Finanziert wird die Militärallianz von den USA, der EU, Saudi-Arabien, den Vereinigten Emiraten und Frankreich. Niger erlaubt den USA außerdem den Einsatz von bewaffneten Drohnen auf seinem Gebiet, wofür bis Ende 2018 der umstrittene US-Stützpunkt Agadez um 100 Millionen US-Dollar errichtet wird. Die Sahel-Zone ist deshalb im Blickpunkt der Militärs, weil dort dschihadistische Kräfte operieren, die schon einmal knapp daran waren, in Mali die Regierungsgewalt an sich zu reißen und damit auch die französische Vorherrschaft über die Region zu brechen. Frankreich, das seine Mittel längst überstrapaziert hat, ist deshalb auf die Hilfestellung der USA, der EU und arabischer Geldgeber angewiesen.

Auf alle Fälle kann man sagen, dass Niger in einer instabilen, militärisch umkämpften und deshalb unsichersten Regionen der Welt liegt und selbstverständlich für solche unmenschlichen Lager, wie sie Kern und Doskozil vorschweben, völlig ungeeignet ist. Natürlich soll damit nicht gesagt werden, dass es besser wäre, Lager in Libyen zu errichten. Der Gedanke, Flüchtlinge in Lager zu sperren ist rundweg abzulehnen, weil er unmenschlich ist und rassistisch.

Rassismus hilft SPÖ nicht

Natürlich sind Doskozil oder Kern nicht dieselbe Sorte Rassisten wie Kickl. Sie greifen rassistische Vorschläge auf, weil sie prinzipienlose Politiker sind, die glauben, das tun zu müssen. Sie glauben, es gäbe keine Alternative zu Rassismus. Sie glauben offensichtlich auch, Sebastian Kurz und die FPÖ seien bei den Wählern so beliebt, weil sie Rassismus immer weiter treiben.

Kern und Doskozil sollten darüber nachdenken, warum die SPÖ verloren hat und weiter verliert, beziehungsweise warum europaweit sozialdemokratische Parteien stärker unter dem Niedergang der Zentrumsparteien leiden als ihre konservativen Gegenspieler. Es liegt unter anderem daran, dass die sozialdemokratischen Parteien, wenn sie als Systemerhalter agieren, stärker ihrer Basis, der Arbeiter_innenklasse, in den Rücken fallen, als die Konservativen ihrer Wählerschaft. Die Basis der Konservativen sind weniger die kleinen Leute, und wenn schon, dann die Fraktion der kleinen Leute, die sich stärker mit den Interessen der herrschenden Eliten identifizieren.

Der Gipfel der Unmenschlichkeit

Der Gipfel der Unmenschlichkeit

Anders gesagt, die linken und liberalen Parteien haben angesichts der tristen wirtschaftlichen Realität versagt. Sie bieten keine Führung an beim Widerstand gegen Sozialabbau und dergleichen. Die rechten Parteien haben nicht deshalb die Nase vorne, weil die Menschen Rassisten den Vorzug geben, sondern die Menschen wenden sich von der Linken ab und der Rechten zu, wenn diese vorgibt, das System zu verändern und alles umzukrempeln. Die Sozialdemokratie gibt sich systemtreu, während Kurz und die FPÖ den Anschein erwecken, mit dem Altbekannten endgültig Schluss zu machen. Ihr politisches Versagen kann die Sozialdemokratie nur verschlimmern, wenn sie Rassismus mit ihren absurden „Lagern in Niger“ noch anfeuert.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.