Durchkreuzen wir den rassistischen Wahlkampf!
Sollte man immer noch SPÖ wählen, auch auf die Gefahr hin, dass die Roten dann mit den Blauen koalieren? Ja, sollte man, solange keine andere Arbeiter_innenpartei vorhanden ist, aber das ist bei dieser Wahl Nebensache. Wichtiger ist, etwas dafür zu tun, dass die Millionen überzeugten Antirassist_innen Druck auf die SPÖ ausüben und so verhindern, dass sie völlig enthemmt bei dem Wettrennen nach rechts mitmacht.
Kanzler Christian Kern hatte die Chance mit einer Minderheitsregierung seine Kontrahenten im Parlament zu entzaubern, Sebastian Kurz genauso wie die FPÖ. Das Image der FPÖ als „soziale Heimatpartei“ wäre leicht anzukratzen, wenn die FPÖ die Zustimmung zu Reichensteuern aller Art verweigert hätte. Und das hätte sie. Sie hätte eine Schulreform blockiert, die den ärmeren Schichten zugute gekommen wäre; und so weiter.
Minderheitsregierung verspielt
Kurz, der sich seit seinem Coup vor jeder Sitzung drückt, um im Herbst noch immer frisch zu wirken, hätte man schön entblättern können, hätte die SPÖ mindestens ein halbes Jahr länger regiert. Die SPÖ argumentiert ja immer gegenüber der Basis, sie musste nur deshalb so vielen unsozialen Initiativen zustimmen, weil sie die Realität einer Koalitionsregierung dazu gezwungen hat. In einer Minderheitsregierung hätte sie genau das beweisen können.
Kerns Zustimmung zu dem frühen Wahltermin am 15. Oktober erweckt den Eindruck, er wollte seine Gegner gar nicht schwächen. Offenbar schielt er schon auf die nächste Gelegenheit die Projekte umzusetzen, die ihm im ersten Regierungsjahr seiner Politikerkarriere nicht gelungen sind – allen voran Mehrarbeit zum Nulltarif, die so genannte Arbeitszeitflexibilisierung. Also wozu Wahlwerbung für die SPÖ machen, wenn die Parteiführung kein Interesse am Gewinnen zeigt?
Kern den Weg versperren
Die drei großen Parteien werden alle gemeinsam gegen Flüchtlinge, „Kulturfremde“ und Türken losziehen. Kanzler Kern sagte in der ersten Pressestunde nach dem Bruch der Koalitionsregierung, man müsse die „kulturelle Verwerfung“, die durch Zuwanderung entsteht, lösen, andernfalls würde die Gesellschaft „zerfallen“. Dabei verteidigte er das Burkaverbot, denn der salafistische Islam sei eine „faschistische menschenfeindliche Ideologie“.
Den Weg, den Kern da begehen will, können wir nur versperren, wenn wir öffentlich Druck aufbauen. Das wichtigste „Detail“ beim Aufbau einer außerparlamentarischen Opposition, sind große Straßenproteste. Streiks wären eine noch mächtigere Waffe, aber von politischen Streiks sind wir noch weit entfernt.
Dennoch, Straßenproteste zeigen Wirkung. Es gibt kein anderes öffentliches Forum, in dem sich die Millionen, die sich in Österreich für eine menschliche Asylpolitik engagiert habenwiederfinden können. Sie werden sich gewiss in keiner Wahlkampagne repräsentiert fühlen, und auch nicht in der Medienberichterstattung.
Wahlen beeinflussen
Jede Flüchtlingshelferin ist ständig bewusst, dass die Medien darüber schweigen, wie engagiert sich die tausenden Initiativen in Österreich für ihre neuen Freunde einsetzen. Wir sind alle darüber schockiert, aber wir können das Schweigen nur übertönen, wenn wir große Straßenproteste aufbauen. Der beste Termin wäre eine Woche vor der Wahl eine Demonstration anzusetzen und die Monate davor zu mobilisieren. Das würde den Wahlkampf tatsächlich beeinflussen.
Kern kann nicht so leicht gegen Zuwanderung und „Kulturverwerfung“ wettern, wenn die Parteijugend und seine Basis gegen Rassismus mobilisieren. Die Wien-Wahl 2015 hat sehr deutlich gezeigt, dass die SPÖ ihre Wähler_innen zum Urnengang motivieren kann, wenn sie selbst antirassistisch auftritt und dem Rechtsruck etwas entgegen setzt. Eine Woche vor der Wahl im Oktober 2015 demonstrierten in Wien 150.000 Menschen in Solidarität mit Flüchtlingen und besuchten das Konzert „Voices for Refugees“ am Heldenplatz.
Gegengift gegen FPÖ
Wer damals politisch aktiv war, wird sich erinnern, dass die FPÖ im Herbst 2015 für einige Zeit in der Versenkung verschwunden ist. SPÖ und ÖVP würden mit dem Kurs, den sie derzeit fahren, die FPÖ stark machen, egal ob schon im Oktober 2017 oder erst bei der Wahl danach. Es sind immer die Blauen, die von Rassismus am stärksten profitiert haben.
Bauen wir die Protestbewegung auf anstatt uns vom Wahlkampf blenden zu lassen. Wir können keinen wirksameren Beitrag gegen den Rechtsruck in Österreichs Politik leisten.