EU-Asylgipfel in Wien: Kurz, Tusk und Orbán dürfen sich nicht durchsetzen!
Zum europäischen „Asylgipfel“ hatte Kanzler Christian Kern gerufen. Zehn Staaten, die von der sogenannten „Flüchtlingskrise“ am meisten betroffen sind, wurden eingeladen. Schon im Voraus machte die Politik klar, worum es bei dem Gipfel gehen wird: Die Regierungen wollen das „Ende der Willkommenskultur“ besiegeln und die Sperren an den EU-Außengrenzen weiter ausbauen. EU-Ratspräsident Donald Tusk sagte: „Wir müssen praktisch und politisch sicherstellen, dass die westliche Balkan-Route für illegale Migration für immer geschlossen ist.“
Im Vorfeld des Gipfels solidarisierte sich Kern offen mit der Politik des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán: „Österreich ist Nutznießer der ungarischen Politik. Die Grenzschließung Orbáns ist verständlich.“
Sterben an EU-Außengrenzen geht weiter
Erst vor drei Tagen kam es im Mittelmeer erneut zu einer schrecklichen Tragödie. Mehr als 160 Menschen ertranken elendiglich vor der ägyptischen Küste. Die Toten sind ein Ergebnis der europäischen Abschottungspolitik. Österreich ist wegen seiner Initiative zur Schließung der Balkanroute einer der hauptverantwortlichen Staaten.
In Griechenland macht die Justiz momentan Jagd auf Menschen, die Flüchtlinge vor dem Ertrinken bewahren. Aktivist_innen aus Spanien, die Leben retteten, werden vor Gericht gestellt und es droht ihnen bis zu zehn Jahren Haft für ihre heldenhaften Taten. Von Kern und Außenminister Sebastian Kurz hört man darüber kein kritisches Wort.
Hilfsbereitschaft ungebrochen
Wien als Ort des Gipfels ist nicht zufällig gewählt. Einerseits ist die österreichische Regierung ein Vorreiter der Anti-Flüchtlingspolitik; andererseits war in keinem europäischen Land die Flüchtlingssolidarität so weit verbreitet. Letztes Jahr beteiligten sich hunderttausende aktiv in der Flüchtlingshilfe und am 3. Oktober demonstrierten 150.000 Menschen für eine menschliche Asylpolitik.
Auch wenn die Gegenoffensive der Regierung viel davon zerstört hat, die Solidarität ist immer noch da. Der kleine steirische Ort Kumberg zeigte jüngst, die Stimmung ist nicht gekippt. Das ganze Dorf wehrte sich erfolgreich gegen die Abschiebung einer irakischen Familie nach Kroatien.
Lösungen?
Die Polizei hatte bereits im Vorfeld des Gipfels versucht, Proteste unmöglich zu machen. Sie sperrte das Areal weiträumig ab; auch die U3-Station Herrengasse wurde für Demonstrant_innen gesperrt. Doch trotzdem kamen um die 220 Menschen, die unter dem Motto „Wir wollen das! Wir können das! Wir machen das!“ gegen den Gipfel demonstrierten.
Auch Amnesty International hatte zum Protest gerufen. Sandra Iyke, Leiterin der Kampagne #menschenrechtasyl von Amnesty, meinte in ihrer Rede: „Ich bin heute hier, weil beim Asylgipfel nach Lösungen gesucht wird. Ich bin mit Kern einer Meinung, es braucht gesamteuropäische Lösungen. Wo wir uns nicht mehr einig sind, ist wie diese Lösungen aussehen sollen. Die Lösung kann nicht sein, die Grenzen zu zu machen. Die Lösung kann nicht sein, die Festung Europa weiter auszubauen, oder die Verantwortung an Staaten abzuschieben, in denen die Menschrechtssituation katastrophal ist.“
Flüchtlinge beteiligten sich am Protest
Besonders beeindruckend war die Beteiligung von Flüchtlingen. Vor allem afghanische Jugendliche waren in großer Zahl gekommen. Sie haben es zu Recht satt, dass „Politiker, die keine Ahnung von der politischen Lage in Afghanistan haben, immer nur über uns sprechen, aber nie mit uns“, sagte Farid gegenüber der Neuen Linkswende. „ Ich bin aus Kabul geflohen, weil ich dort nicht mehr leben konnte. Fast täglich explodieren Bomben und das Militär verhaftet und foltert unschuldige Menschen.“
Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich: „Wir sind mehr als eine Willkommenskultur. Wir sind Vertreter_innen einer Schutzkultur, weil wir Menschen schützen wollen, die sonst umgebracht werden. Die reichen Länder haben nicht nur eine Verantwortung gegenüber den Flüchtlingen zu tragen, sie sind ein Teil der Ursache. Fünf Billionen Dollar haben die Vereinigten Staaten in die Kriege in Afghanistan, Irak und Syrien investiert. Für Gewinne mit Waffenverkäufen gibt es keine Obergrenze. Wir brauchen eine neue globale Friedensbewegung, die sich dagegen einsetzt!“
Alassane Dicko vom transnationalen Netzwerk Afrique-Europe Interact hielt ein besonders kraftvolle Rede: „Ich bin ein ehemaliger Migrant. Ein Migrant ist für mich jemand, der sich ein bisschen frei bewegen will. Aber ich bin auch ein Aktivist. Ich kämpfe in Mali und den Ländern des globalen Südens dafür, dass sich die Welt verändert. Denn diese Welt muss sich ändern. Wir brauchen einen neuen Mai 68!“