Geplantes Staatsschutzgesetz­ kriminalisiert zivilen Widerstand

Das neue Staatsschutzgesetz sollte am 7. Juli im Nationalrat beschlossen werden und mit 1. Jänner 2016 in Kraft treten. Proteste haben das Gesetz vorerst verhinder, der Beschluss wurde auf nach dem Sommer verschoben.
14. Juli 2015 |

Das neue Staatsschutzgesetz wird dafür sorgen, dass eine Person zum Opfer staatlicher Überwachung werden kann, weil es für „wahrscheinlich“ gehalten wird, dass sie beispielsweise einen Nazi-Aufmarsch blockieren könnte.

Die Veränderung der Gesetzeslage räumt dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) einen enormen Handlungsspielraum zur Überwachung von Bürger_innen ein; einer Behörde, die sich mit der Verfolgung der Tierschützer_innen vom VGT bereits einen äußerst negativen Ruf erworben hat.

Datencheck

Das neue Staatsschutzgesetz sieht vor, dass für die Überwachung einer Person weder ein Verdacht noch ein richterlicher Beschluss vorliegen muss. Bereits die Bewertung der Wahrscheinlichkeit einer verfassungsgefährdenden Tat reicht aus, um Personen uneingeschränkt zu überwachen und auf die Daten aller Behörden und Firmen zuzugreifen. Als solche gefährlichen Delikte werden unter anderem „Verhinderung oder Störung einer Versammlung“ gewertet. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Frustration der Behörden über die linken Blockadeaktionen gegen FPÖ-Burschenschafter-Bälle Geburtshelfer für das Gesetz war.

Interview: „Politischer Aktivismus gerät ins Fadenkreuz“

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Das BVT erhält durch die Gesetzesänderung die Rechte eines Geheimdienstes. Die gesammelten Daten können künftig fünf Jahre lang gespeichert werden, wobei die Information, wer auf diese Daten zugreift, nur drei Jahre gespeichert wird. Darüber hinaus sieht das Gesetz vor, neben dem neuen Geheimdienst des BVT weitere Geheimdienste in jeweils allen neun Bundesländern einzurichten. Neben umfangreichen technischen Überwachungsmöglichkeiten beinhaltet das neue Staatsschutzgesetz ebenfalls den Einsatz von bezahlten Spitzeln.

Generalverdacht

Vor allem kritische Stimmen unserer Gesellschaft, die sich gegen Herrschaftsverhältnisse auflehnen und Missstände öffentlich anprangern, geraten durch das neue Staatsschutzgesetz in den Blick der Polizei und werden kriminalisiert. Der „vorbeugende Schutz vor wahrscheinlichen, verfassungsgefährdenden Angriffen“ hängt eng mit den Überwachungsbefugnissen im Internet zusammen.

So könnte zukünftig eine Person, deren Facebook-Freund_innen sich früher an Demonstrationen beteiligt haben, bereits systematisch überwacht werden, bevor diese selbst überhaupt daran teilgenommen hat. Das BVT schützt ganz klar nicht die Verfassung und die Grundrechte aller Bürger_innen, sondern beschränkt diese im Namen der „Sicherheit“.

Das Projekt HEAT

Die Initiative „AK Vorrat“ (Siehe Interview links) arbeitet neben dem Aktivismus gegen das neue Staatsschutzgesetz derzeit an einem „Handlungskatalog zur Evaluierung von Anti-Terror-Gesetzen“ (HEAT). Das Ziel des Projekts ist es, festzustellen, mit welchen Methoden und Gesetzen wir vom Staat überwacht werden. Die Bürger_innen sollen über diese teils enormen und potenziell verfassungswidrigen Eingriffe in die Privatsphäre informiert werden, was die Grundlage für einen sachlichen Diskurs darüber bieten soll.

Unter dem Deckmantel des Schutzes vor Terrorismus werden Gesetze erlassen, welche die Grundrechte der Bürger_innen massiv einschränken. Durch die breite Unterstützung der Öffentlichkeit (106.067 Unterschriften der Bürgerinitiative zeichnemit.at) und mithilfe ehrenamtlicher Jurist_innen, Forscher_innen und ­Journalist_­innen wurde das Projekt HEAT ermöglicht und es wurden bereits eine Reihe parlamentarischer Anfragen zum Thema Überwachung eingebracht.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.