„Gutmenschen“

Die Regisseurin Yael Ronen bringt mit ihrem neuen Werk „Gutmenschen“ die Fortsetzung des mit dem Nestroypreis ausgezeichneten Stücks „Lost and Found“ auf die Bühne. Nach der breiten Solidarität während der großen Flüchtlingswelle im Jahr 2015 folgt nun der Kampf gegen Abschiebung und Rechtsruck.
28. Februar 2018 |

Im Herbst 2015 begeisterte das Bühnen-Ensemble rund um die aus Jerusalem stammende Regisseurin Yael Ronen bereits mit „Lost and Found“. Ausgezeichnet mit dem Nestroy-Autorenpreis als „Bestes Stück“ 2016 widmeten sich die Darsteller_innen einem brisanten Thema: Yousef flüchtet aus dem Irak und steht in Wien vor der Tür seiner Cousine Maryam. Schlagartig ändert sich das Leben in deren Haushalt und alle Beteiligten – zumeist Hipster mit alternativem „Lifestyle“ – sehen sich mit neuen Problemen konfrontiert. An dieses Szenario knüpft „Gutmenschen“ an und erzählt die Geschichte vor dem Hintergrund eines sich verändernden Österreichs weiter.

Deutsch mit Thomas Bernhard

Ausgangspunkt des Stückes ist ein schicksalsträchtiger Brief: Yousefs Asylantrag wurde abgelehnt, er soll in den Irak abgeschoben werden. Da er gerade im Altenheim ehrenamtlich arbeitet – um durch vorbildliche Integrationsbereitschaft seine Chancen auf Asyl zu verbessern – überlegen Cousine Maryam (Birgit Stöger) und Freund_innen, wie sie die Katastrophe abwenden können. Untermalt werden die hervorragenden Deutschkenntnisse des Irakers mit einer Aufnahme aus dem Altenheim. Yousef liest den Bewohnern aus Thomas Bernhards „Alte Meister“ vor. Von der Video-Projektion tönt es: „Die Österreicher, als die geborenen Opportunisten, sind Duckmäuser, […] und sie leben vom Vertuschen und Vergessen.“

Das alles ist eingebettet in die Vorbereitungen für eine Reality Show, an der Maryam teilnimmt. Ein roter Bulle überwacht, in Anlehnung an den von Red Bull finanzierten Fernsehsender ServusTV, das Geschehen und symbolisiert die ständige Anwesenheit des Kapitals und  gleichzeitig ein Sprachrohr zur Öffentlichkeit.

Weltpolitik im Zuhause

© www.lupispuma.com (Volkstheater)

Das Bühnenbild besteht aus verschiedenen Ebenen, die Wohnungsgrundrissen nachempfunden sind. Als Projektionsflächen ermöglichen sie, auch nicht anwesende, aber für das Geschehen relevante Personen auf der Bühne erscheinen zu lassen. So kann man etwa auch einen Video-Chat mit Anwalt Nachmann verfolgen, der Ratschläge zum Umgang mit negativen Asylbescheiden gibt.

Meisterhaft stellt die Begrenztheit des Bühnenbilds die Verstrickungen von Privatleben und Weltpolitik dar. Während Yousefs Leben von den Entscheidungen der österreichischen Politik abhängt, machen sich Maryam, ihr Bruder Elias mit Freundin Klara und das schwule Pärchen Schnute und Moritz, Gedanken über Heteronormativität, das Ende des Patriarchats und zivilen Ungehorsam. Aber natürlich wollen sie vor allem Eines: Yousef helfen und ihn vor der Abschiebung bewahren. Die Frage nach dem „Wie“ sorgt für Diskussionsstoff.

„So weit weit rechts“

Es ist eben leicht, aus den eigenen vier Wänden die Außenwelt durch einen digitalen Filter wahrzunehmen. Die Welt verändern gestaltet sich da schon schwieriger und das Gefühl von Hilflosigkeit taucht auf. Das Stück baut auf Dialog, auf den Austausch von Gedanken und subjektiven Erfahrungen. Auch wenn die Handlung an sich eine eher untergeordnete Rolle spielt, versteht es das Ensemble, Langatmigkeit zu vermeiden.

Klara (großartig: Katharina Klar), die ausgehend von der letzten Wahl ein neues Musik-Klientel am rechten Rand ortet, drückt ihre Sicht am Mikrofon aus. Ein Höhepunkt der Vorstellung ist ihre Gesangseinlage. Hubert von Goiserns „Weit weit weg“ dichtet sie um zu „Du bist so weit, weit rechts von mir“ und singt von Klimaschutz, Genderwahn und Kindergarten-Islamisten.

Diesen ominösen rechten, freiheitlich wählenden Teil der Gesellschaft verkörpert Schnutes Mutter, Ute. Ein schwuler Sohn, Burkas auf dem Spielplatz und eine arabisch sprechende Enkelin – so betet die Oma (authentisch dargestellt von Jutta Schwarz) jedes Klischee herunter.

Politisch korrekt?

Genau wie „Lost and Found“ ist auch „Gutmenschen“ als Gemeinschaftsprojekt der Regisseurin und den Schauspieler_innen entstanden. Die Missstände werden dem Publikum manchmal subtil, manchmal laut schreiend entgegen geschleudert und es werden verschiedene Versuche präsentiert, mit der Situation umzugehen: Demos, Petitionen – oder doch lieber Kunst?

Die Schauspieler_innen fallen auch schon mal aus ihren Rollen. Elias (Sebastian Klaein), der eine flammende Rede gegen den Chef des Red Bull-Konzerns und dessen Marketing-Strategie („Leih dir Flügel! Überschreite Grenzen! Nur nicht die Landesgrenzen.“) hält, empört sich: „Und außerdem macht Red Bull den Fußball kaputt. Das ist mein Text, aber zufällig ist das auch meine Meinung.“ Der Übergang der fiktiven Geschichte zur Wirklichkeit verschwimmt.

Ausstellung: „Genosse. Jude. Wir wollten nur das Paradies auf Erden“

Ausstellung: „Genosse. Jude. Wir wollten nur das Paradies auf Erden“

 Yousef wird von Yousif Ahmad gespielt,  der ursprünglich auch als Vorlage für die Figur diente. Er darf nur in der letzten Szene auf die Bühne. Der Sicherheitsmann lässt ihn nicht durch, schließlich hat er ja keine Arbeitserlaubnis! Die Botschaft ist grandios dargestellt: Yousef schleicht über die Bühne, der Countdown läuft, er darf mit niemandem sprechen – seine Stimme wird ihm genommen. Besser könnte man die Situation eines Flüchtlings in Österreich nicht beschreiben.

Trotz dem konfliktgeladenen Thema verspricht „Gutmenschen“ einen unterhaltsamen, kurzweiligen Abend und bietet – nicht immer „politisch korrekt“ – mit viel Witz und Selbstironie einen erfrischend anderen Blick auf die Dinge.