Spielfeld: Keine Überforderung sondern absichtliches Missmanagement

David Reisinger hat in Spielfeld als Freiwilliger bei der Versorgung der Flüchtlinge mitgeholfen. In einem Bericht erzählt er über die absichtliche Unzulänglichkeit der Behörden, Asylsuchenenden eine menschenwürdige Unterbringung und Versorgung sicherzustellen.
16. November 2015 |

Vor ungefähr zehn Tagen beschlossen meine Mutter und ich nach Spielfeld zu fahren, um bei der Versorgung der Flüchtlinge mitzuhelfen. Wir meldeten uns beim Roten Kreuz als freiwillige Helfer_innen an und fuhren für eine Schicht von 18 bis 24 Uhr nach Spielfeld. Das erste, was einem im Lager ins Auge springt, ist die Solidarität der österreichischen Bevölkerung mit den Flüchtlingen. Sie ist noch immer gigantisch.

Die europäische Grenzpolitik zerstört Menschenleben

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Es waren Helfer_innen aus Spielfeld, Leibnitz und sehr viele aus Graz und Umgebung vor Ort. Es gibt pro Tag vier Schichten zu je sechs Stunden. Meistens sind um die 30 freiwillige Helfer_innen des Roten Kreuzes vor Ort. Selbst um ein Uhr nachts, als kaum mehr Flüchtlinge ankamen, waren noch immer etwa 15 Helfer_innen vor Ort, die alles für den nächsten Tag vorbereiteten, sprich Brot schnitten, Wasserflaschen auspackten und dergleichen.

Hilfsbereitschaft noch immer gigantisch

Die Organisation läuft so ab, dass jeder selbständig schaut, wo er gerade gebraucht wird beziehungsweise wo jemand fehlt. Eine klassische Befehlskette, wie man sie aus dem Arbeitsleben kennt, existiert nicht. Trotzdem ist es kein einziges Mal vorgekommen, dass irgendwelche Nahrungsmittel bei der Essensausgabe ausgegangen sind. Auch für weniger beliebte Aufgaben finden sich immer Freiwillige. Anders gesagt, so egoistisch wie man uns immer erklärt, ist die menschliche Natur anscheinend doch nicht.

Man merkte den Flüchtlingen an, dass sie erschöpft von ihrer langen Reise sind und dass sie Furchtbares erlebt hatten. Der Großteil der Flüchtlinge kam aus Syrien und Afghanistan, vom 75-jährigen Mann bis zum drei Wochen alten Baby waren alle Altersgruppen vertreten. Die Menschen haben sich über jedes freundliche Gesicht und über jedes nette Wort der Helfer_innen gefreut und trotz der erlittenen Strapazen zurück gelächelt und Kontakt gesucht. Von den österreichischen Sicherheitskräften, die sich hinter Mundschutzmasken verstecken und von oben herab Befehle erteilen, fühlt man sich verängstigt und nicht erwünscht.

Spielfeld militärisch abgeriegelt

Es muss den Staat und seinen Vertretern eine Heidenangst eingejagt haben, als diesen Sommer tausende Flüchtlinge unter dem Jubel der Bevölkerung an den Bahnhöfen ankamen. In Spielfeld soll diese Entwicklung wieder rückgängig gemacht werden. Der Ankunftsort der Flüchtlinge ist militärisch abgeriegelt. Die freiwilligen Helfer_innen, die mithelfen wollen, müssen sich ein paar Tage vorher anmelden und sich ausweisen können. Wer keine Anmeldebestätigung hat, wird gar nicht eingelassen. Da wir uns zuvor beim Roten Kreuz eingetragen hatten, kamen wir relativ problemlos durch die drei Polizeikontrollen vor dem Lager.

Freiwillige in Spielfeld: „Wir kochen an einem starken Tag fünf Tonnen“

Freiwillige in Spielfeld: „Wir kochen an einem starken Tag fünf Tonnen“

Die Grenze ist schon jetzt durch mehrere Reihen Absperrgitter gesichert. Zu den Flüchtlingen, die vor der Grenze stehen, kommt man als Helfer_innen nicht hin, diese müssen stundenlang in der Kälte stehen, ohne Verpflegung. Die Flüchtlinge werden von den Sicherheitskräften in Gruppen über die Grenze gelassen.

Dann werden sie in das Verpflegungszelt getrieben. Eine Wasserflasche, eine Banane oder ein Apfel, eine Scheibe Brot und ein paar Süßigkeiten werden ausgegeben. Für Mütter mit Babys gibt es auch ein bisschen warme Milch. Dank der TWO („The Welcoming Organisation“) gibt es auch warmes Essen. Das Innenministerium weigert sich, die Flüchtlinge mit warmen Essen zu versorgen, obwohl viele der Flüchtlinge schon seit Tagen nichts gegessen haben. So sieht die Menschlichkeit des österreichischen Staates aus.

Mikl-Leitner verweigert Quartiere

Nachdem die Flüchtlinge das Zelt passiert haben, werden sie, solange noch Busse da sind, weitertransportiert. Wenn es keine Fahrmöglichkeit mehr gibt, werden sie mittlerweile glücklicherweise in Zelten untergebracht. Doch in diesen Zelten gibt es nicht mal Feldbetten. Viele Flüchtlinge fragten uns, ob sie nicht ein Stückchen Karton haben könnten. Darauf schliefen sie dann, auch für kleine Kinder gab es nichts besseres. Unsere Regierung hält es anscheinend nicht für notwendig, ausreichend Verpflegung und Schlafplätze für Menschen zur Verfügung zu stellen. Auch regelmäßig mit Putzkolonnen die Gegend zu säubern, hält unsere Regierung offensichtlich für verschwendetes Geld.

Als ich mich Spielfeld auf dem Heimweg machte, war ich einerseits begeistert von der unglaublichen Solidarität der österreichischen Bevölkerung und andererseits angewidert von diesem Staat und seinen Vertreter_innen, für die Flüchtlinge offensichtlich Menschen zweiter Klasse sind, denen man keine individuellen Freiheiten oder auch nur eine angemessene Verpflegung zukommen lassen muss.

Protest nach Pariser Anschlägen: Flüchtlinge sind nicht die Sündenböcke

Dazu kommt noch, dass das Innenministerium Asylsuchenden in Österreich bewusst Quartiere verweigert. Mikl Leitners Behörden lehnten in der Steiermark 82% aller angebotenen Quartiere ab. Im Burgenland wurde eine Unterkunft abgelehnt, weil man die Fenster zwar öffnen, aber nicht kippen kann. Es wäre ja wünschenswert wenn die Regierung dafür Sorge trägt, dass Asylwerber_innen angenehme Wohnungen bekommen, doch das selbe Innenministerium lässt in Spielfeld Menschen am Boden schlafen. Um das Wohl der Flüchtlinge geht es ihnen ganz offensichtlich nicht.

 

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.