Über die Mythen der Klimawandelleugner
FPÖ-Umweltsprecher Udo Guggenbichler sieht hinter dem Weltklimarat IPCC, der die Fakten zum Klimawandel zusammenträgt, „finanzierende Geldgeber“. Daher solle, so Guggenbichler, stattdessen ein Wiener Wetterhäuschen den globalen Klimawandel messen. In einer FPÖ-Aussendung vom Oktober 2015 behauptete die damalige Klimasprecherin der FPÖ, Susanne Winter, der Klimawandel sei ein Märchen. „Der Klimawandel sei abgesagt“, behauptet sie, und bezieht sich dabei auf vermeintliche wissenschaftliche Erkenntnisse, vermutlich dieselben, auf die sich Strache bezieht, wenn er von einer wissenschaftlichen Debatte bezüglich des menschlichen Einflusses spricht. Bekanntermaßen gehört auch der US-Präsident Donald Trump zu jenen Klimawandelleugnern, genauso wie die FPÖ, die AfD und andere rechtsextreme Parteien.
Dass die Weltbilder dieser Parteien wenig mit der Realität zu tun haben, ist nichts Neues. Auch der „Klimawandel-Schwindel“ wird mit abstrusen Verschwörungstheorien erklärt. Wissenschaftler_innen, auf die sich die FPÖ bezieht, weisen entweder darauf hin, dass sie falsch zitiert werden oder es handelt sich um solche, deren angeblichen Fakten schlicht pseudowissenschaftlich sind (unwissenschaftliche Behauptungen im wissenschaftlichen Gewand). Es existiert über den menschlichen Einfluss auf das Klima ebenso wenig eine „wissenschaftliche Debatte“ wie über die Evolutionstheorie oder darüber, ob die Erde eine Kugel ist.
Von Klimawandelleugnern herangezogene Mythen, wie „im Mittelalter war es wärmer als heute“, oder, „die Sonnenaktivität ist viel entscheidender als der menschliche Einfluss“, lassen sich schnell widerlegen. Aussagen, wie „das Klima hat sich immer schon gewandelt“, erklären nicht die aktuelle Entwicklung und sind daher keine Argumente gegen den menschlichen Einfluss als Ursache für den Klimawandel. Im Gegenteil: Kenntnisse über Klimaveränderungen in der Erdgeschichte bekräftigen diesen Einfluss.
Grönlands Wein anbauende Wikinger
Auf die mittelalterliche Warmzeit beziehen sich Strache und andere, die von einem „Grönland mit Weinanbau“ sprechen. Diese erstreckte sich etwa zwischen den Jahren 900 und 1250 unserer Zeitrechnung.
Grönland war damals kein grünes Land, sondern wie heute großteils von Eis bedeckt. Landwirtschaft war nur in geschützten Buchten in den südlichen Teilen der Insel möglich, aber sicher kein Weinanbau. Es gibt ausführliche Untersuchungen, wie schwer den Wikingern die Besiedelung Grönlands fiel. Tatsächlich war es aber in der mittelalterlichen Warmzeit rund um den Nordatlantik, also auch in Europa und Grönland, wärmer als in den Jahrhunderten davor oder danach, was auch die Ausbreitung der Wikinger nach Norden begünstigte. In anderen Teilen der Welt war es allerdings in diesem Zeitraum sehr kühl.
Die mittelalterliche Warmzeit bestand aus regionalen Wärmeanomalien und existierte in globalem Maßstab nicht – im Gegensatz zur derzeitigen Erwärmung. Die wärmsten Regionen damals waren ähnlich warm wie Mitte bis Ende des 20. Jahrhunderts. Mittlerweile sind auch in diesen Regionen die Temperaturen im Mittel höher als damals. Im Gegensatz zu heute kann für die mittelalterliche Warmzeit auch kein Meeresspiegelanstieg beobachtet werden.
Der derzeitige Klimawandel ist ein anderes Phänomen als die mittelalterliche Warmzeit. Zudem können die debattierten Ursachen für die regionalen Wärmeanomalien im Mittelalter für die heutige Erwärmung ausgeschlossen werden.
Natürliche Schwankungen
Starke, wirkliche Klimaschwankungen sind allerdings nichts Neues in der Erdgeschichte. Die Erde ist 4,55 Milliarden Jahre alt. Etwa 80% dieser Zeit waren die Pole eisfrei. Eiszeitalter, in denen zumindest einer der Pole vereist war, sind eher die Ausnahme. Allerdings könnte zwischen 715 und 580 Millionen Jahren vor heute die Erde zeitweise sogar komplett vereist gewesen sein. Diese Hypothese wird als Schneeball-Erde bezeichnet.
Die jüngste Ära der Erde, das Känozoikum, auch Erdneuzeit genannt, begann vor 66 Millionen Jahren mit einem sehr warmen Treibhausklima. Sowohl Süd- als auch Nordpol waren eisfrei. Seit etwa 50 Millionen Jahren kühlt die Erde jedoch ab. 30-40 Millionen Jahre vor heute begann sich in der Antarktis ein Eisschild zu bilden, womit das Känozoische Eiszeitalter eingeleitet wurde.
Vor etwa 2,6 Millionen Jahren begann mit der Bildung von Eisschilden in der Arktis, von denen der vor 1,6 Millionen Jahren entstandene grönländische Eisschild erhalten ist, das sogenannte Quartäre Eiszeitalter. In diesem wechselten sich sehr kalte Kaltzeiten (die man geläufig als Eiszeit bezeichnet) mit deutlich kürzeren, weniger kalten Warmzeiten ab (die mittelalterliche Warmzeit ist keine solche Warmzeit!). In Kaltzeiten breiten sich große Eisschilde aus, was auch die Landschaft der Alpen prägte, während sie sich in den Warmzeiten zurückziehen oder vollständig kollabieren. Vor etwa 11.000 Jahren endete die letzte Kaltzeit.
Natürliche Ursachen
Die Hauptursache für Klimaveränderungen sind Veränderung von Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre sowie tektonische Prozesse, die zu unterschiedlichen Meeresströmungen führen und damit den Wärmetransport auf der Erde beeinflussen. Starker Vulkanismus kann zu mehr CO2 in der Atmosphäre führen und damit langfristig warmes Treibhausklima begünstigen.
Durch die Verwitterung von silikatischen Gesteinen (welche den Großteil der Gesteine darstellen), wird der Atmosphäre wiederum CO2 entzogen. In Gebirgen verwittert besonders viel Gestein, weshalb starke Gebirgsbildung zur Abnahme der CO2 Konzentration führt und solche Zeiten zu Eiszeitaltern führen.
Die Mittelalterliche Warmzeit war eine regionale Wärmeanomalie. Sie lässt sich nicht mit dem aktuellen Temperaturanstieg vergleichen, der global messbar und viel drastischer ist. © Grafik Linkswende jetzt
Vor etwa 50 Millionen Jahren begann die Auffaltung der Alpen, des Himalayas und einiger anderer Gebirge. Diese Gebirgsbildungen entzogen der Atmosphäre CO2 und bildeten die Grundlage für das Känozoische Eiszeitalter.
Die Abnahme der CO2-Konzentration alleine führte jedoch noch nicht zur Vergletscherung der Antarktis. Erst als sie sich durch plattentektonische Prozesse von Südamerika trennte, entstand rund um sie eine Meeresströmung, welche den Kontinent von wärmeren Strömungen isolierte und schließlich zu dessen Vereisung führte.
Für die natürlichen, großen Klimaschwankungen in der Erdgeschichte, die bestimmten, ob wir uns in einem Eiszeitalter befinden oder nicht, sind also langsame, geologische Prozesse verantwortlich, welche sich über Millionen von Jahren erstrecken.
Straches Sonneneruptionen
Im Gegensatz zu Behauptungen von Klimaskeptikern schwankt die Sonnenaktivität nur sehr gering und hat kaum Einfluss auf Klimaveränderungen, auch nicht auf die aktuelle. Die Sonnenaktivität nahm die letzten 40 Jahre sogar ab. Straches „Sonneneruptionen“ haben schon gar nichts mit dem Klima zu tun.
Für den Wechsel zwischen Kalt- und Warmzeiten im Quartären Eiszeitalter können sogenannte Milankovich-Zyklen verantwortlich sein. Diese beschreiben Schwankungen der Erdumlaufbahn und der Erdachse, welche auch Änderungen der Sonneneinstrahlung auf die Erdoberfläche verursachen. Etwa alle 100.000 Jahre erhöhte sich die Sonneneinstrahlung auf der Nordhalbkugel stark genug, um die Erde leicht zu erwärmen. Diese Erwärmung war viel zu schwach, um den Übergang von Kalt- zu Warmzeit zu bewirken.
Die kalten Ozeane in Kaltzeiten konnten sehr viel CO2 lösen, welches sich im kalten Wasser besser löst als im warmen. Durch die langsame Erwärmung der Ozeane wurde dieses CO2 nach und nach freigesetzt. Der CO2-Anstieg in der Atmosphäre war für über 90% der Erwärmung in den Warmzeiten verantwortlich und damit für weit mehr als die verstärkte Sonneneinstrahlung.
Angesichts der Milankovich-Zyklen sollte es aktuell zur Abkühlung kommen. Der Anstieg der CO2-Konzentration verläuft hingegen mehr als hundertfach schneller als am Ende von Kaltzeiten und übersteigt jetzt schon deutlich sämtliche Werte des Quartären Eiszeitalters.
Menschengemachter Klimawandel
Die wichtigste Ursache für Klimaveränderungen in der Erdgeschichte war die Veränderung von Treibhausgaskonzentrationen, besonders von CO2, in der Atmosphäre. Seit der Industrialisierung ist die CO2-Konzentration von 280 ppm (parts per million) auf mittlerweile über 400 ppm angestiegen. Dieser Anstieg ist messbar mehrheitlich durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe verursacht worden, welche jährlich 100-fach so viel CO2 ausstößt wie Vulkanismus. Die Temperatur steigt aktuell etwa 100-mal schneller als beim Wechsel von Kalt- zu Warmzeiten.
Die derzeitige globale Erwärmung kann nicht mit den Ursachen vergangener Klimaschwankungen erklärt werden, sehr gut allerdings, wenn man den menschlichen Einfluss mit einbezieht. Die aktuelle, globale Erwärmung wird großteils durch Treibhausgasemissionen im Kapitalismus verursacht.
David Heuser ist Erdwissenschafter und engagiert sich bei System Change not Climate Change