„Wir Freiwillige verteidigen das Menschenrecht auf Asyl“
Nach einigen Hilfseinsätzen entlang der Balkanroute entschieden Freund_innen und ich uns aus diesem Grund dazu, drei Wochen auf der kleinen griechischen Insel Lesbos zu verbringen, um die dort ankommenden Refugees sowie die bereits seit Jahren in dieser Arbeit aktive und unermüdliche einheimische Bevölkerung zu unterstützen. Über das Organisieren von kleinen Weihnachtsmarktständen, sowie das Backen und Verkaufen von Kuchen vor der Uni und privaten Sammelaktionen konnten wir Spendengelder aufstellen, welche wir vor Ort in Infrastruktur für das Camp sowie Lebensmittel und Tee für die Ankommenden investiert haben.
Die ersten Tage
Nach unserer Ankunft im Süden von Lesbos, machten wir uns ein Bild von der Situation und entschieden uns, aufgrund des Mangels an Freiwilligen, im einzigen Registrierungscamp der Insel mitzuhelfen. Als wir dort unsere erste Nachtschicht bestritten hatten, kamen einige große Herausforderungen auf uns zu. Alle NGO´s sowie UNHCR haben das Camp um spätestens 01:00 Uhr verlassen und wir waren auf uns allein gestellt. Zu dritt haben wir so die ankommenden Menschen in Empfang genommen und versucht, Schlafplätze für sie zu organisieren.
Die Deckenausgabe war zu dieser Zeit noch in der Hand des UNHCR und da uns diese ihren Stützpunkt überlassen hatten, waren wir auch dafür verantwortlich. Die Anzahl der Decken und Schlafsäcke war nicht annähernd ausreichend für die vielen Menschen, welche das Camp in diesen kalten Nächten erreicht haben. Über Funk versuchten wir mit unseren begrenzten Ressourcen auf die Bedürfnisse der Menschen einzugehen, was alles andere als einfach und leider nicht in allen Fällen möglich war. Hinzuzufügen ist an dieser Stelle, dass das Registrierungscamp bereits seit Monaten besteht, die Strukturen jedoch keinerlei ausreichend Schutz und Hilfestellung für die zum Großteil nass und frierend ankommenden Menschen bereitstellten.
Unsere Arbeit
Im Laufe der Zeit haben wir uns darauf konzentriert, die Menschen, welche zum Teil über Tage im Camp ausharren mussten, bevor sie ihre Weiterreise auf das Festland antreten konnten, mit Tee zu versorgen. Unsere Aufgabe ging jedoch weit über reines Teeausgeben hinaus: Es ist uns gelungen, einen Ort zu schaffen, an dem alle Menschen dieselbe Wertschätzung erfahren konnten. Im Gegensatz zu den meisten Anlaufstellen im Camp gab es hier genug für alle – von Tee über Informationen, Austausch und nicht zuletzt einer aufrichtigen Welcome-Geste.
Unsere Station fungierte außerdem als Infopoint, Deckenausgabe und generelle Hilfeleistung, insbesondere für verwundbare Personengruppen. Im Grunde waren wir ein gern und oft besuchter Ort für alle Personen, seien es Flüchtende, Volunteers oder MitarbeiterInnen von NGOs.
Trotz der schwierigen, aussichtlosen Lage, in welcher sich die Menschen auf Lesbos tagtäglich wiederfinden, wurde uns für jede kleine Geste, jede Tasse Tee und jede noch so nichtige Hilfeleistung außergewöhnlich viel Dank, Anerkennung und Respekt entgegengebracht. Wir konnten während den drei Wochen unglaublich viele tolle, interessante und starke Menschen kennenlernen. Nun ist es die Aufgabe von uns allen, ihnen mit derselben Wertschätzung zu begegnen, welche wir von ihnen erfahren durften.
Die rassistischen Praktiken von FRONTEX
Wie die Verfahren in den Hotspots für die Refugees, vor allem für jene, die nicht aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan stammen aussehen werden, zeigt ein Blick auf die Praktiken von FRONTEX im Registrierungscamp Moria auf Lesbos. Derzeit sind dort insgesamt zwei FRONTEX-Einheiten im Einsatz. Wie die von ihnen geleitete Registrierung der Ankommenden genau abläuft, und nach welchen Kriterien die Beamt_innen die Staatsangehörigkeit der Refugees festzustellen glauben, ist für Außenstehende nicht einsichtig. Die Informationslage für die Geflüchteten über die Vorgehensweise und ihre Rechte ist darüber hinaus schlichtweg unzureichend. Die rassistische Politik der EU trifft vor allem die nordafrikanischen Flüchtlinge besonders hart. Ihnen wird die Registrierung gänzlich verweigert, was sie an ihrer Weiterreise hindert und die Betroffenen aus diesem Grund wochenlang im Camp festsitzen lässt.
Im Dezember letzten Jahres wurden Menschen aus Algerien, Marokko und Tunesien unter dem falschen Vorwand der Registrierung weggelockt, verhaftet und abgeführt. Viele andere haben das Camp daraufhin aus Angst verlassen. Das Recht auf ein Asylverfahren wird diesen Menschen somit aufgrund ihrer Herkunft pauschal abgesprochen. Das ist ein klarer Verstoß gegen den Artikel drei der Genfer Flüchtlingskonvention „Verbot unterschiedlicher Behandlung“ und institutioneller Rassismus. In den geplanten Hotspots werden diese Verstöße zur fixen Institution.
Grenzregime kurbelt Schleppergeschäft an
Alleine dieses Jahr mussten bereits über 300 Menschen auf dem Weg von der Türkei nach Griechenland sterben. Die geforderten Hotspots werden die Zahl der Toten und Verletzten weiter in die Höhe treiben. Die Menschen werden aus Angst vor der Abschiebung versuchen, die Hotspots zu umgehen. Das macht ihre Reise um ein Vielfaches gefährlicher und treibt sie in die Arme von Schleppern. Nach dem Entschluss der österreichischen Regierung eine Obergrenze für Asylanträge einzuführen, schotten die Balkanstaaten ihre Grenzen immer mehr ab. An der mazedonisch-griechischen Grenze kann man die unmittelbaren Folgen beobachten. In Idomeni berichtet Ärzte ohne Grenzen von einer Vielzahl an gewalttätigen Übergriffen der Polizei gegenüber Flüchtlingen.
Weiters führen Grenzbeamte Einvernahmen von Geflüchteten teils ohne Dolmetscher_innen durch und schieben sie mittels Schnellverfahren nach Griechenland zurück. Dort werden sie gezwungen die Grenzregion zu verlassen, sonst riskieren sie eine Festnahme. Es bleiben ihnen zwei Möglichkeiten: 1. Einen Asylantrag in Griechenland stellen: Die griechischen Behörden sind jedoch derart überfordert mit der Masse an Anträgen, dass sie diesen nicht nachkommen. Einmal pro Woche, mittwochs von 11 bis 13 Uhr, haben Geflüchtete die Möglichkeit per Skype einen Asylantrag zu stellen, Dolmetscher_innen gibt es keine. 2. Erneut versuchen, die Grenzen auf der Balkanroute zu überwinden.
Die Routen werden immer gefährlicher und die Hürden für viele unüberwindbar. Refugees werden durch diese Politik wissentlich in die Abhängigkeit von Schleppern getrieben und auf ihrem Weg in eine sichere Zukunft tödlichen Gefahren ausgesetzt.
Freiwillige Helfer_innen werden kriminalisiert
Seit Monaten sind viele unermüdliche Helfer_innen in ganz Europa aktiv, um dem Versagen der europäischen Politik und der damit einhergehenden unmenschlichen Behandlung von Menschen auf der Flucht entgegenzuwirken. Die EU-Regierungen reagieren auf die freiwillige Hilfeleistung indem sie die internationalen und lokalen Freiwilligen kriminalisieren und Frontex aufrüsten. So wurden am 13. Januar fünf Rettungsschwimmer aus Spanien und Dänemark verhaftet und wegen „Hilfe zur illegalen Einreise“ angezeigt. Sie haben die vergangen Monate über tausende Menschen vor dem Ertrinken gerettet. Auf Chios werden Freiwillige von FRONTEX daran gehindert, mit ihren Booten Menschen in Seenot zur Hilfe zu kommen. Zollbeamt_innen durchwühlen Spendenboxen und ein spanischer Volontär wird beim Versuch ein Foto von einem niederländischen FRONTEX Schiff zu machen, wegen Spionage angezeigt – ein Schlag ins Gesicht für die Menschen, die sich seit Monaten für die Rechte der Refugees engagieren.
Nun heißt es umso stärker gegen die geplanten Maßnahmen einzutreten: Bei der internationalen Demo „Flüchtlinge willkommen! Nein zur Festung Europa!“ am 19. März müssen wir alle ein mächtiges Zeichen gegen diese rassistische Politik setzen.