Wir werden noch sehen, was möglich ist
Damit Österreich so weit nach rechts rückt wie Ungarn, braucht es nicht mehr, als das totale Versagen der Opposition. An der Bereitschaft der Regierungsparteien wird das Vorhaben nicht scheitern. Sie sind ohne Zweifel dazu imstande, alles zu zerstören, was es hierzulande an sozialstaatlichen Traditionen und an liberalen Werten gegeben hat.
Die kürzliche Einigung auf ein neues Arbeitszeitgesetz mit Einführung des 12-Stunden-Tags zeigt das unmissverständlich. Aber auch Fremdenfeindlichkeit und Islamfeindlichkeit wird Woche für Woche direkt von Regierungsvertretern angefeuert. Sozialabbau und Rassismus gehen nicht zufällig Hand in Hand, weil eben unsoziale und rassistische Politiker am Werk sind. Nein, das hat System, und zwar eines, das Viktor Orbán unter anderen Vorbildern – in jüngster Zeit vorexerziert hat.
Immer weiter nach rechts
In ganz Europa sind die zwei großen Parteien – Sozialdemokratie und Konservative – dabei, bis zur Bedeutungslosigkeit zu schrumpfen. Eine bemerkenswerte Ausnahme bildet der Aufschwung der englischen Labour Partei unter der kämpferischen Leitung von Jeremy Corbyn, eine andere die „Wiedergeburt“ der ÖVP unter der skrupellosen Führung von Kanzler Sebastian Kurz. Den überraschenden Wahlerfolg hatte Kurz der „Systemverdrossenheit“ der Wähler_innen zu verdanken, die er als zentrales Element erkannt hat, und die er erfolgreich bedient hat, indem er sich als Gegner des Systems und als Erneuerer präsentiert hat.
Aber solche Gesten könnten ihn nicht vor einem Absturz bewahren, hätte er nach der Wahl die althergebrachte Politik betrieben. Keinen Stein auf dem anderen zu belassen, alles zu zerschlagen, die Gegner völlig zu brüskieren, das sind Methoden mit welchen Orbán und US-Präsident Donald Trump es schaffen, bei all ihrer offensichtlichen Schlechtigkeit und ihrer asozialen Politik, trotzdem die Nase vorn zu behalten.
Orbán-Trump-Strategie
Was Kurz von beiden lernen kann: er muss konsequent die rechten Wähler_innen bedienen und eine fremdenfeindliche, rassistische Stimmung immer weiter anheizen. Deshalb phantasiert er weiterhin eine drohende Flüchtlingswelle herbei, trotzdem im ganzen Jahr 2018 bisher erst neun Menschen „illegal“ die Südgrenze übertreten haben. Und deshalb lässt er Moscheen schließen und Imame deportieren.
Österreich muss rassistischer werden. Was er außerdem von Orbán und Trump lernen kann: Die Empörung der Oppositionsparteien, der Gewerkschaften, der Vertreter der Versicherungen und aller anderen angegriffenen Gruppen kann ihn kalt lassen, solange sie nicht zu Kampfmaßnahmen greifen, die weh tun – und das sind natürlich in erster Linie Streiks. Streiks, die so konsequent geführt werden, dass die Wirtschaft darunter leidet, können jede Regierung stürzen.
Kalkulierter Amoklauf
Es wäre auch ein Fehler, die Position von Kurz innerhalb der Regierungskoalition falsch einzuschätzen. Weder befindet er sich in Geiselhaft der FPÖ, noch ist er ihre Marionette. Er will den Staat umbauen und den Sozialstaat komplett zerschlagen, und dabei nutzt er die Brutalität und Skrupellosigkeit der FPÖ. Die Beamten haben im Staatsapparat tiefere Wurzeln als eine temporäre Regierung und sie können Widerstand gegen einen Umbau des Staates leisten, wenn sie dadurch Macht und Einfluss verlieren.
Deshalb kann er seine Pläne nur durchziehen, wenn er die Beamten los wird oder zumindest einschüchtert. Beispiel BVT-Affäre: Was Innenminister Kickl hier abgezogen hat, ist für Eingeweihte tatsächlich unfassbar. Laut einer vom Standard zitierten Anzeige besteht der dringende Verdacht, dass eine Zeugin von Personen aus dem Ministerium gebeten wurde, den BVT-Beamten Straftaten zu unterstellen. Daraufhin wurden Beamte suspendiert, zu Unrecht, die Suspendierungen wurden inzwischen von der Justiz wider aufgehoben.
Richtig antworten
Alles um den Staatsapparat nach den Vorstellungen Kickls umzufärben? Auf eine parlamentarische Anfrage antwortet die FPÖ mit Empörung, wie man es wagen könne, den „erfolgreichsten Innenminister der Zweiten Republik so anzuschütten“. Es scheint, als wäre die Rolle der neofaschistischen Parteien Europas tatsächlich diese hier beobachtete: sie bieten sich als Regierungspartner an und machen für die reaktionärsten Kreise der herrschenden Eliten die Kettenhunde, die blindwütig auf alles hin beißen, was ihnen zuwider ist.
Die Strategie der Regierung zu verstehen, bedeutet natürlich, dass man richtig auf sie reagieren kann. Wir müssen auf alle rassistischen Attacken geschlossen und solidarisch reagieren, vor allem, wenn sie Flüchtlinge aus unserer Mitte, aber auch wenn sie die konservativsten Imame betreffen. Und die angegriffenen Berufsgruppen dürfen sich nicht auf Kritik beschränken, sie müssen Streiks vorbereiten und diese bis zum Sieg durchziehen. Unsere Gewerkschaften haben beim Bundeskongress signalisiert, dass sie das verstanden haben.