Flüchtlinge verändern Österreich zum Guten
Das ist jetzt schon nicht mehr dasselbe Land! Ich bin wie jedes Jahr zu Weihnachten aufs Land zu meinen Eltern gefahren, und habe ab dem Wiener Bahnhof eine Reihe Erlebnisse gehabt, die möglicherweise ganz gewöhnlich sind, aber noch vor einem Jahr hätte ich sie kaum für möglich gehalten. Flüchtlinge waren im selben Abteil mit mir nach Salzburg unterwegs. Sie waren zwar sichtlich gestresst, wahrscheinlich noch immer auf ungewissen Pfaden, aber etwas im meist wortlosen Austausch mit uns anderen Passagieren war speziell. Sie haben gespürt, dass wir ihnen freundlich gesonnen sind und ich habe verstanden, dass ihnen das Außergewöhnliche an der Freundlichkeit bewusst ist, und nochmals vice versa. Wenn sich Blicke berührt haben, hat man nicht versteinert weggesehen, sondern hat die paar Sekunden durchgehalten, die man braucht um Emotionen wie Erleichterung, Sorge, oder Sympathie zu vermitteln.
Ich konnte nicht umhin mir vorzustellen, wie dieselbe Situation vor einem Jahr abgelaufen wäre. Ich hätte Unheil erwartet – von einem Schaffner, einem Fahrgast, oder sogar von der Polizei, die schließlich noch vor kurzem so manchen Asylwerber, wie einen Schwerverbrecher behandelt hat. Ich hätte mich innerlich darauf vorbereitet, und wäre bei jedem nicht betont freundlichem Menschen wahrscheinlich misstrauisch gewesen. In Erwartung eines rassistischen Ausbruchs von irgendwo her, wäre die Stimmung bis zu einem gewissen Grad unangenehm gewesen.
Aber Weihnachten 2015: Die Schaffnerin hat das Abteil betreten und sofort gewusst, dass diese Flüchtlinge Angst haben, und sie wollte ihnen diese Angst nehmen. Demonstrativ laut und deutlich hat sie deshalb die erste Blondine in unserem Abteil gefragt: „Do you speak German?“ Alle im Abteil haben verstanden, was die Schaffnerin gerade getan hat. Amüsiertes Kichern war zu hören und aufmunternde Blicke haben sich getroffen. Schließlich wandte sie sich an uns alle und meinte erleichtert: „Tja, es ist alles nicht so einfach!“ Und wieder gab es helles Gelächter von allen Seiten. Ich weiß nicht ob es mir gelungen ist, an dem kurzen Beispiel zu schildern, wie sehr die Flüchtlinge uns verändert haben, aber mir fällt es permanent auf.
Eduard Rettinger
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