Wer Gewalt sät,… Über den G20-Polizeieinsatz in Hamburg

Alle Medien geben sich entsetzt über die Gewalt, die auf Hamburgs Straßen aus Protest gegen die G20 geherrscht hat. Der sogenannte „Schwarze Block“ steht im Zentrum der Kritik. Vergessen sind die scheinbar grundlosen Attacken der Polizei auf neutrale Journalisten, friedliche und weniger Demonstranten. Die Eskalation vonseiten der Polizei hatte Methode und den gewünschten Erfolg!
9. Juli 2017 |

  • „Polizei geht bei Ausschreitungen der ‚Welcome to Hell‘ auch aggressiv gegen Journalisten vor, völlige Eskalation.“ „Bayerische Einsatzkräfte drehen am Rande der Schanzen-Räumung komplett durch, greifen Unbeteiligte und Reporter gezielt an!“ Frank Schneider, BILD-Journalist
  • „Mehrere NDR-Reporter vor Ort berichten übereinstimmend, dass von den Demonstranten zunächst keine Gewalt ausgegangen sei.“ Norddeutscher Rundfunk (NDR)
  • „Eine Polizistin kam zu mir und meinem Kameramann. Wir schauten beide in ihre Richtung, sie schrie ‚Fuck the press, fuck, fuck!‘ – und drückte mit ihrem Pfefferspray ab. Flo Smith, ITN News

Bei roher Gewalt haben es die Uniformierten gegen Anti-G20-Proteste in Hamburg nicht belassen. Es häufen sich die Beobachtungen, dass sich Polizisten als Mitglieder des „Schwarzen Blocks“ verkleidet unter die Demonstranten_innen mischten und für die gewünschte Eskalation sorgten.

Ein Video, das der Spiegel bekannt gemacht hat, verbreitet sich über Facebook und Twitter, wo man sieht wie ein Polizist, in dunkler Zivilkleidung, seine Waffe zieht und einen Warnschuss abgibt und damit sich und einen anderen Mann in Sicherheit bringt. Wir haben selbst beobachtet, wie neben Polizeieinheiten Männer in Zivil und mit versteckter Faustwaffe gehen und sich mit ihren Kollegen unterhalten.

Ein weiteres Video zeigt einen Trupp vermeintlicher Angehöriger des Schwarzen Blocks, der diszipliniert wie ein Trupp Soldaten um eine Ecke biegt und in einstudierter Manier Brandbeschleuniger in Autos wirft und sie anzündet.

Es sind zu viele VW-Busse und ähnliche Autos in Flammen aufgegangen um noch daran glauben zu können, dass nur „linke Chaoten“ dafür verantwortlich waren.

https://www.youtube.com/watch?v=xu2CT3noHAc

Es darf davon ausgegangen werden, dass in den kommenden Tagen noch weitere solcher Videos auftauchen, die das hässliche Gesicht des Polizeieinsatzes in Hamburg offenbaren werden, aber es ist zu bezweifeln, dass die Medien groß darüber berichten werden.

Proteste trotz allem riesig

Überhaupt ist die Medienberichterstattung hierzulande armselig. Denn die größte Überraschung war, dass alle Berichte mit ihrem Fokus auf die Gewalt der autonomen Szene nicht zur totalen Demobilisierung der Proteste geführt haben. Am Samstag gingen geschätzte 200.000 Menschen auf die Großdemonstration „Grenzenlose Solidarität statt G20!“

Wir hatten die Befürchtung, dass die Krawalle und die Direkte-Konfrontrations-Strategie des „Schwarzen Blocks“ den Protesttagen den Garaus machen könnten, aber sie haben sich nicht bewahrheitet. Das ist die grandiose Erkenntnis aus diesen Protesten gegen den G20-Gipfel. Die Protestbereitschaft und die Radikalisierung, die sich seit Beginn des Jahrtausends ausgebreitet hat, gehen weiter. Die gemeinen Strategien der Polizei, die Bewegung zu schwächen, sind daran gescheitert.

Vermummung und Gewalt

Trotzdem muss sicher jener Teil der autonomen Szene, der sich auf Demonstrationen schwarz vermummt, schon die Frage gefallen lassen, ob ihre Strategie nicht gerade dazu einlädt, unterwandert zu werden. Einerseits sind sie völlig isoliert innerhalb der Bewegung, und pflegen eine geradezu feindschaftliche Beziehung zu den anderen Teilen der Bewegung, die in ihren Augen zu wenig militant ist.

Andererseits hegen sie eine tiefe Verachtung für die Masse der Bevölkerung, weshalb es ihnen auch herzlich egal ist, ob ihre Protestformen anziehend oder abstoßend wirken. Und dann sind sie eben vermummt und machen es der Polizei und auch Faschisten besonders leicht sich als „Autonome“ auszugeben.

Proteste gegen G20 in Hamburg

Aktivist_innen von Neue Linkswende nahmen mit zehntausenden Menschen an den internationalen Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg teil.

 

Bei aller Kritik werden wir uns aber niemals in die Reihen jener eingliedern, die den Schwarzen Block deshalb so schrecklich finden, weil er zu Gewalt greift. Unsere Kritik ist eine taktische und politische, keine moralische.

Gewalttätiges System

Dieses System, gegen das wir protestieren, ist als Ganzes gewalttätig und kann ohne Gewalt gar nicht überleben. Seien es die Kriege oder die Hungersnöte, die es hervorruft, die Fluchtbewegungen, oder die alltägliche Gewaltandrohung gegen alles, was den herrschenden Eliten gegen den Strich geht. Wir dürfen nie vergessen, zu welcher Gewalt das kapitalistische System imstande war und ist, um sein Überleben und die Privilegien der wirklich Mächtigen zu sichern.

Außerdem sind die Autonomen in Hamburg längst nicht so fahrlässig, wie ihnen unterstellt wird: Sie beteuern, dass ihre Leute sich an den Grundsatz gehalten haben, dass die Gewalt nicht von ihnen ausgehen würde. Der Sprecher der Roten Flora, Andreas Blechschmidt, meinte im Norddeutschen Rundfunk, dass die Militanz, die nächtens im Schanzenviertel geherrscht hat, „politisch und inhaltlich falsch“ gewesen sei. Es gehe ihnen darum, die Gewalt zu markieren, die von den G20 ausgeübt wird, zu markieren und nicht darum Budnikowsky-Filialen oder Autos anzuzünden.

Echte Radikalität sieht anders aus

Echte Radikalität, die wirklich das Potential hat, die Gesellschaft zu verändern, muss aber erstens die Massen einbeziehen, zweitens muss sie die Wurzel des unterdrückerischen Systems angreifen. Was im Kapitalismus und anderen Klassensystemen zu Gewalt und Unterdrückung führt, ist die Ausbeutung der Vielen durch die Wenigen. Eine kleine Elite könnte uns Milliarden nicht ohne Gewalt ausbeuten, hätte sie nicht den Staat und alle Gewaltmittel unter ihrer Kontrolle, aber das Geheimnis ihrer Macht ist ihre Kontrolle über alles, was wir produzieren.

Rosa Luxemburg brachte es so schön auf den Punkt: „Der Sozialismus muss durch die Massen, durch jeden Proletarier gemacht werden. Dort, wo sie an die Kette des Kapitals geschmiedet sind, dort muss die Kette zerbrochen werden. Nur das ist Sozialismus, nur so kann Sozialismus gemacht werden.“

Proteste gegen den G20-Gipfel werden die Politik prägen!

Proteste gegen den G20-Gipfel werden die Politik prägen!

Deshalb ist es nicht egal, ob wir zu Mitteln greifen, die die Massen abstoßen. Momentan scheinen radikale Kämpfe der Arbeiter_innenklasse in weiter Ferne, die meisten jungen Aktivist_innen haben zu Lebzeiten noch keinen Massenstreik erlebt. So ist es auch kein Wunder, dass sie sich ohne Bezug auf die Arbeiter_innen radikalisieren! Es ist wichtig innerhalb der Bewegung einen Pol aufzubauen, der sowohl die Radikalisierung vorantreibt, als auch den Fokus auf die Werktätigen nicht aus den Augen verliert.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.