Die Aktualität von Revolution

Krieg, Hunger, Rechtsruck, Klimawandel: der kapitalistische Alltag ist für den Großteil der Menschheit der blanke Horror. Vor genau einhundert Jahren versuchte die russische Arbeiter_innenklasse, diesen Horror zu überwinden. Wir sollten an ihre Bemühungen anknüpfen und Revolution nicht nur als eine reale Möglichkeit, sondern auch als notwendige Perspektive wiederentdecken.
7. November 2017 |

Jene, die revolutionäre Bewegungen gefürchtet hatten, erklärten nach dem Sieg der russischen Konterrevolution Joseph Stalins erleichtert, Revolution sei unmöglich. Russland, das kurz zuvor noch in ganz Europa als „Hort der Reaktion“ galt, wurde nach der Oktoberrevolution 1917 in kürzester Zeit zur freiesten Gesellschaft der Welt und inspirierte die Massen international zu revolutionären Aufständen.

Die Frage der deutschen Revolutionärin Rosa Luxemburg von „Sozialismus oder Barbarei“ ist aktuell wie eh und je. Luxemburg spielte mit ihrer Aussage auf die Krisenhaftigkeit des Kapitalismus an. In Zeiten kapitalistischer Krise steht die Menschheit vor der Frage, entweder wir jagen die alte Herrschaft zum Teufel und bauen eine bessere Gesellschaft auf oder wir schauen zu, wie die Welt in Barbarei versinkt. Das Scheitern der deutschen Revolution und der daraufhin folgende Sieg des Faschismus zeigt, wie real die Bedrohung ist.

2015 haben die Nobelpreisträger bei ihrem jährlichen Treffen auf der Insel Mainau eindringlich festgehalten: „Wenn wir dem [Klimawandel] nicht entgegensteuern, wird die Erde schließlich nicht mehr in der Lage sein, den Bedürfnissen der Menschheit gerecht zu werden und unsere ständig zunehmende Nachfrage nach Nahrung, Wasser und Energie zu decken. Und dies wird zu einer umfassenden menschlichen Tragödie führen.“

Klimawandel

Das vergangene Erdzeitalter „Holozän“ war die stabilste Klimaphase seit mindestens 400 000 Jahren. Mit den geringen Temperaturschwankungen innerhalb einer Amplitude von ca. 1 °C bestand eine wesentliche Grundlage für die Entwicklung der menschlichen Zivilisation. Wir leben im Zeitalter „Anthropozän“, in dem der Mensch zum wichtigsten Einflussfaktor auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist. 97 Prozent der Klimaforscher_innen sind sich inzwischen einig, dass wir jetzt handeln müssen.

Konservative Politiker und Konzern-Lobbyisten leugnen oder ignorieren die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel meist. Andere geben vor, die Wissenschaft zu umarmen, während sie weitermachen wie bisher und Profitinteressen über die Interessen von uns allen stellen. Wir können zusehen, wie der Planet und die Zukunft künftiger Generationen zerstört werden. Oder wir entschließen uns Kapitalismus zu überwinden. Das wäre die Basis um gemeinsam eine solidarische, geplante Wirtschaft zu organisieren, die nicht mehr strukturell von der Nutzung fossiler Energie abhängig ist.

Hunger wird gemacht!

Die Antwort der Herrschenden auf Not und Elend sind Zäune. © Balzas Mohai

Wer heutzutage am Hunger stirbt, wird ermordet, schrieb der ehemalige UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Jean Ziegler, angesichts der Möglichkeit, den Hunger weltweit zu beenden. Elf Kinder unter fünf Jahren sterben jede Minute, 600 Kinder jede Stunde, 15.000 Kinder jeden Tag und 5,6 Millionen Kinder jedes Jahr. Sie verhungern auf einem Planeten, der vor Reichtum überquillt. Etwa 2,5 Milliarden Menschen leben laut Weltbank von weniger als 2 Dollar pro Tag.

Seit 1992 hat sich die Anzahl der Ernährungskrisen mit menschlichen Ursachen laut World Food Programme (WFP) verdoppelt. Freihandels- und Investitionsabkommen torpedieren das Recht auf Nahrung in Entwicklungsländern systematisch. In der tiefen Krise des Kapitalismus ab 2008 sind die Hedgefonds und Großbanken auf die Rohstoffbörsen umgestiegen. Die massiven Börsenspekulationen auf Grundnahrungsmittel führten zu einer Preisexplosion.

Kapitalismus tötet sprichwörtlich. Weiter steigende Preise für Lebensmittel werden schon jetzt als sichere Folge des Klimawandels prognostiziert. Zehn weltumspannende Konzerne kontrollieren 85 Prozent der weltweit gehandelten Grundnahrungsmittel. Hunger ist nicht natürlich und könnte schon heute beendet werden.

Kapitalismus bedeutet Krieg

Das Fundament des Kapitalismus ist die Ausbeutung der Lohnabhängigen und die ökonomische Konkurrenz zwischen den Kapitalisten. Die Rivalität um geopolitischen Einfluss, um Ressourcen, Märkte und Profite zwischen Konzernen, Ländern, Staatenbündnissen und Supermächten führt zu Kriegen. Wir nennen dieses Stadium des Kapitalismus Imperialismus.

Zu Recht denken wir beim Wort „Imperialismus“ heute an die USA als größte Militär- und Wirtschaftsmacht. Der Krieg im Irak hat insgesamt einer Million Menschen das Leben gekostet und seine Folgen destabilisieren noch immer die Welt – am prominentesten durch Terroranschläge und den Bürgerkrieg in Syrien.

Nordkoreas jüngste Tests mit ballistischen Raketen veranlassten US-Präsident Trump dazu, mit „Feuer und Wut“ zu drohen. In Zeiten, in denen Männer wie Trump über die Macht verfügen, die gesamte Welt mittels Atomwaffen zu zerstören, zeigt sich wie treffend Luxemburgs Analyse von „Sozialismus oder Barberei“ ist. Wenn es der Arbeiter_innenklasse nicht gelingt, den herschenden die Macht zu entreißen, wird das Risiko eines Atmokrieges für immer über uns schweben.

Kapitalismus und Flucht

Die Welt ist in den vergangenen Jahrzehnten instabiler geworden und Rüstungsausgaben steigen. Insgesamt betrugen die Militärausgaben im Jahr 2016 laut dem „Consumer Market Outlook“ (CMO) rund 1,69 Billionen US-Dollar. Wie könnten diese finanziellen Mittel für friedliche Zwecke eingesetzt werden. Klimawandel, Imperialismus und seine Folgeerscheinungen vertreiben Menschen aus ihrer Heimat. Noch nie waren so viele Menschen auf der Flucht, auf der Suche nach Schutz und besseren Lebensbedingungen. Jeder zweite Flüchtling oder Vertriebene auf der Welt ist minderjährig.

Internationale Solidarität

Die reichen Staaten, welche direkt oder indirekt für das Elend verantwortlich sind und mit jeder Diktatur kooperieren, machen ihre Grenzen vor dem Elend dicht. „Westliche Werte“ und Integration werden zu Kampfbegriffen. Der Bürgerrechtler James Baldwin fragte zu Recht: „Do you really want to be integrated into that burning house?“, übersetzt: „Willst du wirklich in dieses brennende Haus integriert werden?“.

Wir produzieren als Lohnabhängige allen gesellschaftlichen Reichtum und haben die unglaubliche Macht, die Gesellschaft umzukrempeln.

Neofaschistische Kräfte können im rassistischen und neoliberalen Morast wieder relevant werden. Der bürgerliche Staat bietet davor keinen Schutz, er schützt im Gegenteil die Neonaziaufmärsche. Auf Rassismus, Sexismus und andere Sündenbock-Politik kann das System nicht verzichten. Diskriminierende Sondergesetze und Propaganda sollen unsere Klasse spalten.

Die Mächtigen wollen verhindern, dass die Lohnabhängigen Enteignungen statt Bettelverboten fordern. Viele arbeitende Menschen können ihre Grundbedürfnisse kaum befriedigen. Sie sollen sich dagegen nicht wehren und stattdessen unschuldige Flüchtlinge hassen, während der Sozialstaat abgebaut wird. So werden die Reichen reicher und profitieren von der Umverteilung von unten nach oben.

Die Aufspaltung unserer Klasse in In- und Ausländer_innen, in Männer und Frauen, Muslime oder Flüchtlinge, usw. schwächt uns gewaltig. Aber ausgebeutet zu werden, bedeutet auch Macht zu gewinnen. Wir produzieren als Lohnabhängige allen gesellschaftlichen Reichtum und haben die unglaubliche Macht, die Gesellschaft umzukrempeln. Zu unserer Klasse, der Arbeiter_innenklasse, gehören all jene, die ihre Arbeitskraft als Ware verkaufen müssen, um leben zu können. Wir profitieren weder von Hunger, Krieg noch Umweltzerstörung.

Kräfte organisieren

Die Menschen unserer Klasse in Österreich haben mehr gemeinsame Interessen mit den Menschen unserer Klasse weltweit als mit österreichischen Konzernchefs oder neoliberalen Politikern. Immer mehr Menschen bemerken, dass das System uns schadet und haben berechtigte Kritik an der EU, der Banken- und Konzernherrschaft.

Wie die Russische Revolution die Gesellschaft radikal veränderte

Wie die Russische Revolution die Gesellschaft radikal veränderte

Die Enttäuschung und Wut der Menschen kann auch für eine bessere, solidarische Gesellschaft eingesetzt werden. Um die Richtung in die wir gehen, nicht dem Zufall zu überlassen, ist der Aufbau einer revolutionären Organisation schon heute nötig. Es macht einen Unterschied, wie viele an einem Strang ziehen und für die besten, fortschrittlichsten Ideen aktiv eintreten und künftig in entscheidenden Kämpfen eine Rolle spielen können.

In diesem Sinne schließt der Artikel mit den Worten des italienischen Revolutionärs Antonio Gramsci: „Lernt, denn wir werden eure ganze Intelligenz brauchen. Agitiert, denn wir werden all euren Enthusiasmus brauchen. Organisiert euch, denn wir werden eure ganze Stärke brauchen!“