Frauenarbeit: Mit Niedriglohn an die Coronafront geschickt

Frauen sind die Heldinnen des Alltags, klar! In der Coronakrise wird sichtbar, dass vor allem unterbezahlte Frauenberufe das System aufrechterhalten. Dankbar applaudieren wir den Heldinnen zu und wissen, dass sie weit höhere Gehälter und bessere Arbeitsbedingungen verdienen. Lassen wir das historische Zeitfenster nicht ungenutzt.
8. Juni 2020 |

Eine Einzelhandelskauffrau bekommt ein Einstiegsgehalt von 1.600 Euro brutto. Für etwa 1.285 Euro netto setzt sie täglich ihre Gesundheit und die ihrer Angehörigen aufs Spiel. In der Medizin, im Handel, als Lehrerinnen, in der Kinderbetreuung oder Pflege dominieren Frauen. Knapp 90 Prozent der Beschäftigten in Apotheken sind weiblich. Im Gesundheits- und Sozialwesen liegt der Frauenanteil bei 77 Prozent, im Lebensmittelhandel bei 74 Prozent. Die Kolleginnen in den Kindergärten, Pflegeheimen, Supermärkten und Spitälern sind im Dauerstress – auch ohne Pandemie.

Wertschätzung geht anders!

Lebensmittelkonzerne profitierten von der Coronakrise. Dank der öffentlichen Anerkennung für die Angestellten rangen sich die Konzernchefs zu einmaligen Bonuszahlungen durch. Spar verteilte angeblich 3 Millionen Euro an die circa 82.700 Beschäftigten. Das ergäbe einmalig 36,27 Euro pro Nase. Die Angestellten bei Merkur müssen die Einmalzahlung auch noch im eigenen Konzern konsumieren.
Gehälter zeigen, welche Tätigkeit im derzeitigen System welchen Wert hat. 2018 erhielten die Vorstandsvorsitzenden der österreichischen Börsenunternehmen im Durchschnitt 2,1 Millionen Euro. Die mittleren Nettojahreseinkommen beliefen sich bei Frauen auf 17.578 Euro und bei Männern auf 25.113 Euro im Jahr.

Wir sind nicht alle den gleichen Gefahren ausgesetzt. Die Möglichkeit, sicher im Home-Office zu arbeiten, sinkt mit dem Einkommen. Vom ärmsten Viertel der Bevölkerung können nur knapp 10 Prozent auf Heimarbeit zurückgreifen, bei den reichsten 25 Prozent sind es mehr als die Hälfte.

Bevor die Coronakrise ausbrach, streikten die Beschäftigten im privaten Gesundheits- und Sozialbereich (SWÖ). Sie forderten die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich im SWÖ-Kollektivvertrag. Mehr als 70 Prozent in der Branche sind Frauen. Ihr Kampf um Arbeitszeitverkürzung und bessere Gehälter war auch ein Kampf zur Schließung der Lohnschere. Im Ausnahmezustand gelang es leider den Mächtigen, die Streikbewegung zu stoppen.

Strukturelle Ungleichheit

Seit den 80er- und 90er-Jahren wurden die Produktivitätssteigerungen nicht mehr durch Lohnsteigerungen und Arbeitszeitverkürzung an die Belegschaft weitergegeben. Die Zunahme der Teilzeitarbeit, eine Art Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich, traf vor allem die Frauen. Sie verrichten acht von zehn Teilzeitjobs. Durch die Lohnschere sinkt bei der Väterkarenz das Familieneinkommen. Also gehen meist Frauen in Karenz und pflegen Angehörige.

Alleinerziehende – zu 93 Prozent Frauen – sind mit 42 Prozent die Gruppe der Erwerbstätigen mit der höchsten Armutsgefährdung. Die Politikwissenschaftlerin Alexandra Weiss sagt zu Recht: „Das Problem ist nicht, dass so viele Frauen Verkäuferinnen werden, sondern was sie dafür bezahlt bekommen.“ Frauen sind in den fortgeschrittenen kapitalistischen Staaten rechtlich gleichgestellt. Für wirkliche Gleichstellung müssen wir noch kämpfen.