Proteste im Iran: „Wut und Sehnsucht nach Freiheit“

Im Iran gehen seit Tagen tausende Menschen gegen Arbeitslosigkeit, Armut, Korruption und die politische Elite auf di Straße, sie werden von der Regierung brutal unterdrückt. Tausende wurden in den größeren und mittleren Städten Irans verhaftet. Es ist die größte Protestwelle seit dem Jahr 2009. Mindestens 15 Menschen wurden bis zum 1. Jänner, dem fünften Protesttag, bei Zusammenstößen mit der Polizei getötet.
3. Januar 2018 |

Die Proteste begannen am Donnerstag, den 28. Dezember 2017, in Maschhad, der zweitgrößten Stadt Irans, nachdem Präsident Rouhani den Haushaltsentwurf für 2018 verkündet hatte, der Kürzungen und Preiserhöhungen vorsieht. Die Demonstrationen weiteten sich aber schnell auf andere Städte aus und radikalisierten sich. Parolen wie „Tod Rouhani!“ und „Weniger Korruption ist die Lösung!“ wurden gerufen.

Bewegung von unten

Die Proteste finden vor dem Hintergrund einer sich verschärfenden Wirtschaftskrise, begleitet von steigenden Preisen, niedrigen Löhnen und hoher Arbeitslosigkeit, statt. Der „Reformer“ Rouhani gewann die Wahlen 2013. Er versprach, das Land für Großkonzerne und Auslandsinvestitionen zu öffnen. Der neue Reichtum würde durch Schaffung neuer Arbeitsplätze und durch höhere Löhne auch die unteren Schichten begünstigen. Praktiziert wurde aber eine Austeritätspolitik – begleitet von zunehmenden Streiks.

Asad Keshavari, ein in Großbritannien lebender iranischer Aktivist, spricht von einer Verschärfung der Wirtschaftskrise: „Das lässt sich an der wachsenden Staatsverschuldung gegenüber Banken, an der Auszehrung der Pensionsfonds, den vielen Pleiten von Finanzinstitutionen und dem schier unglaublichen Ausmaß von Korruption und Unterschlagung messen. Während der letzten drei oder vier Jahre kam es zu großen Arbeitsniederlegungen und Streiks in Arak und den an Erdöl und Gas reichen Gebieten im Süden des Landes.“

Weder Ahmadinedschad noch Rouhani

Es wird behauptet, dass die Proteste anfänglich von hartgesottenen Reformgegnern aus dem politischen Establishment organisiert wurden. Aber weder die Hardliner noch die Reformer des iranischen Regimes können die Forderungen der einfachen Menschen befriedigen. Die letzte große Protestwelle von 2009, die „Grüne Bewegung“, richtete sich doch gerade gegen die Regierung des „Hardliners“ Mahmoud Ahmadinedschad. Diese Bewegung wurde mithilfe massiver Repression niedergeschlagen – die Hardliner verloren dennoch die Wahlen von 2013.

Am Sonntag wandte sich Rouhani an die Bevölkerung: Protestierenden sollte „Raum für Kritik“ an der Regierung gegeben werden, „gewalttätige Demonstrationen“ würden allerdings mit aller Härte bekämpft. Noch während seiner Rede gab es massive Polizeiübergriffe. In manchen Städten sollen Polizeireviere besetzt worden sein. Asad meint: „Jedesmal, wenn das Regime eine Politik der harten Hand betrieb, bekam es dafür die Rechnung präsentiert. Die Menschen legen einen unglaublichen Mut an den Tag, sie sind wütend und sehnen sich nach Freiheit und sozialer Gerechtigkeit.“

Interventionen des Irans

Die Proteste sind sehr unübersichtlich und widersprüchlich. Es wurden auch rechte Parolen und solche gegen Araber gerufen. Und die USA und Israel, die der ganzen Region unermessliches Leid zugefügt haben, unterstützen aus schierem Opportunismus die Demonstranten.

Der Iran steckt in einem Konflikt mit den US-Verbündeten Israel und Saudi-Arabien um die Vorherrschaft im Nahen Osten. Er hat in den Kriegen im Irak und Syrien interveniert, um seinen Einfluss zu erweitern. Dieser Konflikt droht nun seit Monaten, in einen neuen blutigen Krieg auszuarten.

Die Protestierenden im Iran sind wütend auf eine Regierung, die lieber Geld für Kriege als zur Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit ausgibt. Manche Demonstranten skandieren: „Vergesst Syrien – denkt an uns!“ Manche haben dafür nationalistischere Töne angeschlagen: „Weder für Gaza noch für den Libanon, für den Iran opfere ich mein Leben!“ Slogans wie „Wir sind Arier, wir verehren die Araber nicht!“ zeigen, dass manche Protestierende für rassistische Ideen offen sind.

Heuchelei des Westens

US-Präsident Trump twitterte: „Das Volk realisiert langsam, wie ihnen Geld und Reichtum gestohlen und für Terrorismus verprasst wird. Sieht danach aus, als ob es sich das nicht länger gefallen lässt.“ Die israelischen Medien wiederum stellen die Proteste als radikale Ablehnung des anti-westlichen Kurses des Iran dar. Iranische Stellen dagegen bezichtigen Saudi-Arabien, die Strippen zu ziehen.

Trump und seine Verbündeten sind Heuchler. Jahre der US-Sanktionen gegen den Iran, die Trump jüngst erneuert hat, bringen Leid für das einfache Volk. Trump hat wiederholt einen vernichtenden Krieg gegen den Iran heraufbeschworen. Und die von Saudi-Arabien und Israel geführten Kriege haben die Region in Stücke zerrissen.

Die Proteste von unten entfalten ganz offensichtlich ein Eigenleben. Sie könnten sich zu einer Bewegung ausweiten, die der Kontrolle aller Regionalmächte entgleiten und die Herrschenden in ganz Nahost erschüttern könnte. Die Arbeiter und Arbeiterinnen müssen sich aber davor in Acht nehmen, dass ihre Bewegung nicht von den Imperialisten vereinnahmt wird.

Aus dem Englischen von David Paenson. Artikel ist zuerst auf Socialist Worker erschienen. Mit Dank an den revolutionären Sozialisten Nima Soltanzadeh.