Trumps Nahost-Plan: Hände weg von Palästina!

Donald Trumps Nahost-Plan für Israel und Palästina hat mit einem gerechten Frieden nichts zu tun. Warum, erklären Ramsis Kilani und Yaak Pabst.
3. Februar 2020 |

US-Präsident Donald Trump hat seinen „Deal des Jahrhunderts“ veröffentlicht, der als „Friedensplan“ zwischen Israel und Palästina angepriesen wird. Doch in Wirklichkeit gibt Trumps Nahost-Plan dem Staat Israel grünes Licht, sich alles bis auf ein paar winzige Reste von Palästina offiziell einzuverleiben. Jared Kushner, Trumps Schwiegersohn und Initiator des Abkommens, machte deutlich, worum es geht. Er drohte: „Es ist die letzte Chance für die Palästinenser, einen Staat zu bekommen. Es ist Zeit für die Palästinenser, die Märchen der Vergangenheit loszulassen, die, offen gesagt, nie passieren werden.“

Trumps Nahost-Plan: Unter der Kontrolle Israels

Trumps Nahost-Plan sieht Jerusalem als „ungeteilte“ Hauptstadt Israels vor. Und er würde die israelischen Siedlungen im Westjordanland sowie die Besetzung und Kontrolle über das Jordantal, das etwa ein Drittel des Gebiets ausmacht, anerkennen. Klar ist: Jeder palästinensische Kleinstaat steht in wirtschaftlicher Abhängigkeit des israelischen Staates und unter der Kontrolle des israelischen Militärs. Mit Trumps Nahost-Plan wird es keine Gerechtigkeit für die Palästinenser_innen geben, die seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihres Landes beraubt und bis heute unterdrückt werden. Trump hat seit 2017, als er Jerusalem zur „Hauptstadt Israels“ erklärte, diese Richtung eingeschlagen.

Damit wurde der Anspruch Israels auf die gesamte Stadt effektiv bestätigt. Daraufhin akzeptierte er die Annexion der Golanhöhen durch Israel, die der israelische Staat 1967 von Syrien militärisch erobert hatte. Zuletzt erklärte sein Außenminister Mike Pompeo im November letzten Jahres, dass die USA Israels Siedlungen im Westjordanland als legal betrachten.

Trumps Nahost-Plan legitimiert Repression

All dies hat Israel bereits ermutigt, die Repression gegen die Palästinenser_innen zu verstärken. Die israelische Regierung hat den Siedlungsbau in Erwartung des Trump-Deals verstärkt – ebenso wie den Abriss und die Landnahme. Gewalttätige israelische Siedler haben ihre Angriffe auf palästinensische Dörfer und Bauern intensiviert, um sie zu vertreiben. Unterdessen hat die israelische Regierung 2018 ein Gesetz verabschiedet, das nichtjüdischen Einwohnern Israels die Staatsbürgerschaft verweigert. Viele palästinensische Aktive sagen jetzt, dass sie einer „neuen Nakba“ gegenüberstehen – einer Katastrophe, die so bedeutsam ist wie ihre Vertreibung 1948. Trump erklärte, wenn die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) nicht zustimmt, wird das Abkommen nicht umgesetzt. Gleichzeitig aber fügte er hinzu: „Am Ende werden sie es wollen. Es ist sehr gut für sie.“ Bedeutet das, wenn die PA es nicht akzeptiert, wird Trump Israel zurückhalten? Oder ist es – was wahrscheinlicher erscheint – eine Drohung an die Palästinenser_innen?

Sackgasse Oslo-Abkommen

Was auch immer passiert, Trumps Nahost-Plan reiht sich ein in die Strategie, die „Zwei-Staaten-Lösung“ – der Idee, dass es neben Israel einen Staat Palästina geben könnte – zu beerdigen. Die 1993 unterzeichneten Osloer Abkommen beanspruchten, den Weg zu einem palästinensischen Staat zu ebnen. Doch dieser Weg wurde nie eingeschlagen. Tatsächlich führte das Oslo-Abkommen zu einer Stärkung und Vertiefung der israelischen Besatzung. Das Westjordanland ist ein geographischer Flickenteppich mit ungezählten Armeeposten. Das letzte Kapitel der israelischen Annexionspolitik war der Bau einer Mauer, die zum Großteil (circa 85 Prozent) tief in das Westjordanland hinreicht und Ostjerusalem vom palästinensischen Gebiet abschneidet (Lies hier den marx21-Artikel: Was ist die Ursache für die Gewalt in Gaza?).

Unter solchen Bedingungen kann weder ein gleichberechtigter palästinensischer Staat neben Israel entstehen noch kann so die Grundlage für eine dauerhafte Beilegung des Konflikts in der Region gelegt werden. Sollte am Ende dennoch ein auf einen Bruchteil des ursprünglichen Territoriums gestutztes Rumpfpalästina entstehen, so wäre dieser Ministaat buchstäblich eingemauert, fremdbestimmt und ökonomisch kaum überlebensfähig. Er würde zur politischen Geisel Israels als auch der Regime in den arabischen Nachbarstaaten werden: Ex- und Import wären der Kontrolle der Regierungen der Anrainerstaaten Ägypten, Jordanien und Israel unterworfen. Die Palästinenser hätten laut Trumps Plan weder ihre eigene Armee noch könnten sie ihre eigenen Grenzen kontrollieren. Selbst der Zugang zu Städten wie Ramallah stünde weiterhin unter Kontrolle der israelischen Armee.

Und in jedem Fall würde eine solche Lösung niemals das historische Unrecht, das den Palästinenser_innen angetan wurde, wieder gutmachen, da sie ihnen nicht erlauben würde, in das Land zurückzukehren, aus dem sie 1948 vertrieben wurden. Um der Spirale der Gewalt im Nahen Osten zu entkommen, ist es wichtig, zwischen Ursache und Wirkung zu unterscheiden. Solange die Vertreibung und Entrechtung der Palästinenser_innen anhält, wird es auch keinen Frieden geben. Die israelische Regierung aber ist zu wirklichen Konzessionen nicht bereit.

Was ist die Alternative zu Trumps Nahost-Plan?

Eine linke Nahostpolitik, die ihre ganze Hoffnung in die internationale Diplomatie setzt, die nur auf dem Papier für die Errichtung eines unabhängigen Palästina eintritt, ist zum Scheitern verurteilt. Eine wirkliche Lösung kann es nur dann geben, wenn das Ursprungsproblem beseitigt wird: Die ethnische Teilung Palästinas. Dies ist nur möglich, wenn ein gemeinsamer, weltlicher und demokratischer Staat geschaffen wird, in dem Juden, Muslime und Christen mit gleichen Rechten zusammenleben können. Viele Gegner eines gemeinsamen Staates befürchten Übergriffe der arabischen Bevölkerung auf die jüdische Bevölkerung.

Tatsächlich wird es angesichts der Erfahrungen der letzten Jahrzehnte lange dauern, bis die entstandenen Wunden verheilt sind und ein vertrauensvolles Zusammenleben möglich ist. Doch je früher dieser Prozess beginnt, desto größer sind die Chancen, dass er erfolgreich zu Ende geführt werden kann. Denn der muslimisch-jüdische Konflikt ist in der Schärfe, wie wir ihn heute in Nahost beobachten, nur wenige Jahrzehnte alt. Auch der jüdische Wissenschaftler Noam Chomsky kommt zu dem Schluss: „Solidarität mit den Palästinensern ist in Wirklichkeit Solidarität mit den Juden. Es ist nicht in unserem Interesse, dass wir die Zustände, die Widerstand und Blutvergießen andauernd reproduzieren, verstärken.“

Es leben über eine Million Araber auf israelischem Staatsgebiet. In den besetzten Gebieten Ostjerusalems und Westjordanland leben heute hunderttausende Juden. Sie alle könnten dort bleiben, wo sie heute leben – vorausgesetzt, es gibt einen wirklichen Neuanfang auf der Basis realer Gleichberechtigung von Juden und Arabern. Dies schließt das Rückkehrrecht der vertriebenen Palästinenser mit ein und setzt einen Bruch mit der Politik der Kolonisierung des Landes durch den israelischen Staat voraus. Es schließt zugleich das Recht der jüdischen Bevölkerung ein, im historischen Gebiet Palästinas zu leben

Freifahrtschein für Unterdrückung

Trumps „Friedensplan“ knüpft nahtlos an die einseitige und von imperialen Interessen bestimmte US-Außenpolitik an. Er gibt der rechtsnationalen israelischen Regierung weiterhin einen Freifahrtschein für eine Politik, an deren Ende die Palästinenser_innen das eigene Elend innerhalb komplett von Israel kontrollierten Enklaven verwalten würden, die sie unter Umständen „Staat“ nennen dürften. Der langjährige Siedlungsausbau wird weder bestraft noch verurteilt, viel mehr wird er mit Trumps Plan belohnt. Da Trumps „Deal“ ungerecht ist, wird er auch nicht die Gewalt beenden oder gar zum Frieden führen.

Der Artikel ist zuerst auf marx21 erschienen.