„Überfordert“ mit Flüchtlingen? Die Lügen des Innenministeriums
Es sollte die erste gute Tat unter dem neuen Flüchtlingskoordinator Christian Konrad werden. Bei dessen erstem Besuch im Flüchtlingslager Traiskirchen am Donnerstag, 27. August, rühmte sich das Innenministerium mit einer „Entspannung der Lage“. Man habe die Zelte abgebaut und hätte die Zahl von 2.000 obdachlosen Asylwerber_innen auf 200 reduzieren können.
Reine Kosmetik, wie der Fotograf John Sobek aufdecken konnte. Hunderte der obdachlosen Flüchtlinge dürften vom Erstaufnahmezentrum Traiskirchen einfach in die angrenzende Sicherheitsakademie verfrachtet worden sein. Fotos belegen, dass rund 500 Menschen provisorische Unterkünfte mit Holzlatten und Decken unter freiem Himmel gebaut haben.
Unterkünfte vorhanden
Tags darauf rühmte sich Innenministerin Johanna Mikl-Leitner in einem Interview mit dem Standard, ihr Zugang wäre immer gewesen, „die Menschen vor Obdachlosigkeit zu schützen“. Das ist zynisch. Ende Mai schlug die Innenministerin ein Angebot der Stadt Linz aus – die Quartiere müssten erst „überprüft werden“. Im Juli lehnte sie 36 von 38 angebotenen Quartieren der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) ab. In Oberösterreich wurde sogar ein Pflegeheim von einer Gemeinde geschlossen, um die Unterbringung von Flüchtlingen zu verhindern.
Die Politik will mit Obdachlosigkeit und überfüllten Quartieren bewusst den Eindruck erwecken, wir würden von Flüchtlingen „überrannt“ werden.
Die Politik ist nicht überfordert, sondern produziert bewusst Obdachlosigkeit und überfüllte Quartiere, um den Eindruck zu erwecken, wir würden von Flüchtlingen „überrannt“ werden. Unterkünfte gibt es zur Genüge – leerstehende Wohnblocks, Landesjugendwohnheime, die nicht mehr bewohnt werden, ehemalige Bundesheergebäude, Betriebsgebäude und Lehrlingsunterkünfte von Post und ÖBB und viele mehr.
Leugnen und dementieren
Der Bericht der Volksanwaltschaft am 5. August listete die „unmenschlichen Bedingungen“ im Lager Traiskirchen auf: Medizinische Versorgung nur auf Deutsch und Englisch, keine getrennten Duschmöglichkeiten für Männer und Frauen, kein Sichtschutz: „Für Mädchen und Frauen ist es unangenehm, bei der Körperpflege so ungeschützt sein zu müssen; einige verzichten deshalb auf Duschen.“ Das Innenministerium dementierte und erklärte die Vorwürfe für schlichtweg falsch.
Amnesty International besuchte das Traiskirchner Lager am 6. August und bestätigte die unzureichende medizinische und soziale Versorgung und die besonders heikle Situation für Jugendliche und Kinder. Es sei „keine angemessene Unterbringung garantiert“. Zwei Wochen nach Erscheinen des Berichts entgegnete die Innenministerin auf die dokumentierten Vorwürfe, dass Menschen in Traiskirchen aufgrund der Zustände krank und nicht behandelt werden: „Wir sind mit Amnesty in Verbindung und ich würde da schon auch mehr Sensibilität in der Sprache fordern.“
Der unmenschliche Umgang mit Flüchtlingen ist kein zufälliges Phänomen der Überforderung, sondern dahinter stecken staatlicher Rassismus, falsche Behauptungen und der gezielte Versuch, einfache Menschen gegen Flüchtlinge aufzubringen.