Statement der „Neuen Linkswende“: Rebellion gegen die Festung Europa!
Es ist eine Rebellion der Flüchtlinge selbst, die sich nach all dem Horror, den sie erleben mussten, nicht mehr von einer Weiterreise abhielten ließen. Sie ließen sich nicht an der griechisch-mazedonischen Grenze, nicht von der ungarischen Polizei und nicht vom österreichischen Grenzschutz aufhalten. Tausende wehrten sich dagegen in Anhaltelager gesteckt zu werden und machten sich zu Fuß auf den Weg Richtung Deutschland und Österreich. Tausende, die in Europa Schutz vor Krieg und Armut suchen, treten noch immer die gefährliche Reise über das „Massengrab“ Mittelmeer an. Ihre Entschlossenheit bringt Regierungen ins Wanken.
Massenhafter ziviler Ungehorsam
Und es ist eine Rebellion der einfachen Menschen, die sich über die rassistische Flüchtlingspolitik ihrer Regierungen hinwegsetzen. Trotz Strafandrohungen ließen sie sich nicht davon abhalten Flüchtlinge in den Lagern und an den Grenzen zu unterstützen. Hunderte Menschen haben sich aufgemacht einen Konvoi mit Bussen und Autos nach Österreich zu begleiten und der Drohung getrotzt, als Schlepper verurteilt zu werden. Die Regierungen Österreichs und Ungarns wichen der Konfrontation aus, öffneten die Grenzen und stellten Busse und Züge bereit. Zehntausende Menschen gingen für eine menschliche Behandlung von Flüchtlingen, ein Dach über dem Kopf und offene Grenzen auf die Straßen. Tausende haben gespendet, Dinge des täglichen Bedarfs gesammelt, Unterkünfte angeboten und ihre Hilfe auf Bahnhöfen, Flüchtlingslagern und den Grenzen angeboten.
Diese beiden Rebellionen wuchsen in den letzten Wochen zusammen und erreichten ihren vorläufigen Höhepunkt am 5. September, als sich Massen von Flüchtlingen und solidarischen Menschen verbrüderten und in Jubel ausbrachen. Auf den Bahnhöfen wurde gesungen und getanzt. Das ist ein wichtiger Sieg der Menschlichkeit über ein barbarisches System, das immer wieder Krisen, Krieg und Tod und Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit und Rassismus erzeugt. Über 20 Jahren wurde die „Festung Europa“ immer weiter ausgebaut und kostete abertausenden Menschen das Leben. Jetzt erleben wir, worauf wir immer sehnlich gehofft haben – die Menschen erheben sich gegen diese Unmenschlichkeit in einem inspirierenden Kapitel der Geschichte der internationalen Solidarität.
Herausforderungen
Aktivist_innen sind in der Bewegung mit ernsten Gefahren konfrontiert. Es drohen Resultate, für die wir nicht kämpfen. Die Regierung hält weiterhin am „Dublin-Abkommen“ fest, wonach Menschen in jene Länder zurückgeschickt werden können, in denen sie das erste Mal Europa betreten haben. Die Machthaber wollen in kommenden EU-Gipfeln „Anlaufstellen“, das heißt weitere Massenlager außerhalb der EU, und niedrigere Flüchtlingsquoten durchsetzen. Die österreichische Innenministerin forderte „massive Kontrollen der EU-Außengrenzen“. Die Hardliner unter ihnen drängen auf Militärinterventionen mit Bodentruppen im syrischen Bürgerkrieg und in Libyen im „Kampf gegen Schlepper“.
Wir treten diesen Vorschlägen entschieden entgegen. Wir kämpfen für eine Welt ohne Kriege und ohne „Sonderlager“; für eine Welt, in der sich alle Menschen frei bewegen und gehen können, wohin sie wollen. Derzeit erleben wir einen historischen Moment. Sozialist_innen auf der ganzen Welt müssen die Gunst der Stunde nutzen.
Koordination der „Neuen Linkswende“
6. September 2015
Hier geht es zur englischen Version des Statements
Weiterlesen: Statement der International Socialist Tendency (IST), der auch die „Neue Linkswende“ angehört