Solidaritätsoffensive hat Wahl in Wien entschieden
Von den meisten Umfrageinstituten ist für Wien 2015 ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen FPÖ und SPÖ prognostiziert worden. Und diese Prognose hat doch beinahe Panik unter der SPÖ-Basis und allen Antirassist_innen verbreitet. Die SPÖ hat seit 1919 jede demokratische Wahl in Wien gewonnen und stellt seither, mit Ausnahme der Periode des Austrofaschismus und der Nazizeit (1934-1945), den Wiener Bürgermeister. Im Roten Wien 1919-1934 wurden radikale Reformen im Wohnungs- und Sozialwesen umgesetzt, die bis heute für den hohen Lebensstandard der Stadt prägend sind. Und in Wien lebt rund ein Viertel der gesamten Bevölkerung Österreichs, weshalb die Auswirkungen der Wienwahl für die Nationalratswahlen 2018 natürlich sehr groß sind.
Antirassismus und Standhaftigkeit
Zwei Faktoren haben wir es zu verdanken, dass die Wahl nicht noch viel schlimmer ausgegangen ist: Zum einen ist die Wiener SPÖ nicht auf Ausländer-feindliche Rhetorik eingeschwenkt, wie zuvor in der Steiermark und dem Burgenland. Bürgermeister Häupl hat verstanden, dass er seine Basis mit Standhaftigkeit gegen Rassismus am besten mobilisieren kann.
Vor allem aber erleben wir gerade die höchst inspirierende Rebellion gegen die Festung Europa. Hunderttausende Menschen sind in irgendeiner Form in Solidaritätsarbeit betätigt, 23% waren direkt in der Hilfsarbeit engagiert. 150.000 Menschen gingen eine Woche vor der Wahl für eine menschliche Asylpolitik auf die Straße. Die Öffnung der Grenzen durch die Wucht und Entschlossenheit der Flüchtlingsmassen hat die Wahl ganz entscheidend beeinflusst. Es besteht gar kein Zweifel, dass es auch anders herum hätte ausgehen können. Hätten sich die Rechten durchgesetzt und wäre die hauptsächliche Reaktion auf die Ankunft der Flüchtlinge feindselig gewesen, dann wären die Solidarischen in der Defensive gewesen und es hätte nur sehr schwachen Gegenwind für die FPÖ gegeben. Die wahren Kräfteverhältnisse zwischen Rechts und Links sichtbar zu machen, das war ein wichtiger Verdienst der Solidaritätsbewegung und der Großdemonstration samt Konzert am 3. Oktober. In der Politik ist die Dynamik, wer wie selbstbewusst nach vorne zieht, ganz entscheidend. Wenn die rassistischen Pöbeleien von FPÖ-Anhängern überall auf Widerspruch stoßen, dann wirkt das.
Nachfolgepartei der NSDAP
Aber 30 Prozent für die FPÖ sind um 30 Prozent zu viel. Die FPÖ ist keine Partei wie die anderen, nur eben weiter rechts. Die FPÖ ist eine qualitativ andere, eine im Kern faschistische Partei, angeführt von deutschnationalen Burschenschaftern. Ihre Abgeordneten lassen dahingehend auch keine Missverständnisse aufkommen und bekennen sich demonstrativ zum Faschismus, indem sie sich blaue Kornblumen ans Revers heften. Damit – die blaue Kornblume war das Symbol der österreichischen Nationalsozialisten – weisen sie sich als stolze „Nachfolgepartei der NSDAP“ (Anton Pelinka) aus. Ihre Verachtung für alle demokratischen Gepflogenheiten im Parlament und im Wiener Gemeinderat ist legendär. „Die FPÖ repräsentiert die Fortsetzung der deutsch-völkischen Tradition, deren Höhepunkt der Nationalsozialismus und der von diesem zu verantwortende Holocaust war“, diagnostiziert der Politikwissenschaftler Anton Pelinka.
Aber die FPÖ tarnt sich! Niemals würde Strache der Öffentlichkeit auf verständliche Art und Weise mitteilen, was die Freiheitlichen von Demokratie und Menschenrechten halten. Um sie richtig einzuschätzen, muss man schon die Codes der modernen Rechten kennen, wie die Kornblume oder den Kühnen-Gruß, der den Hitler-Gruß ersetzt hat. Man muss sich daran erinnern, dass Strache gemeinsam mit der Wiking-Jugend demonstriert hat, einer der gefährlichsten Neonazi-Gruppen Europas und das er bei Wehrsportübungen mit Gottfried Küssel und Konsorten teilgenommen hat. Und man muss verbreiten, dass der größte Teil der freiheitlichen Parteikader aus den rechtsextremen Burschenschaften kommen und es wäre auch gut allgemein zu wissen, wie elitär diese Burschenschaften sind, und dass sie für das Proletariat beziehungsweise die kleinen Leute nichts als tiefste Verachtung empfinden. Umso erschreckender sind die Ergebnisse für die FPÖ in den Arbeiterbezirken Floridsdorf (1. Platz mit 42%), Simmering (1. Platz mit 44%) und Favoriten (knapp 2. mit 41%).
Die Wut ernst nehmen
Die meisten Stimmen bekommt die FPÖ aber nicht wegen, sondern trotz des Bekenntnis zahlreicher zentraler Kader zum Faschismus. Dem Großteil der FPÖ-Wähler_innen ist die Zurschaustellung der faschistischen Sympathien nicht bekannt. Die Hauptmotive FPÖ zu wählen sind Wut und Enttäuschung über das „System“ und die Regierung, und die sind durchaus legitim und verständlich. Die Abwendung von den alten Großparteien wird sich auch nicht umkehren. Sie regieren in Zeiten einer globalen Wirtschaftskrise ein System, das immer mehr Ungleichheit und Zerstörung erzeugt. Drohende Massenarbeitslosigkeit und Umweltzerstörung sind gute Gründe dem System zu misstrauen und nach grundsätzlichen Veränderungen zu verlangen. Man wirft der SPÖ auch zu Recht vor, dem permanenten Sozialabbau nicht genug Widerstand zu leisten, oder noch schlimmer ihn aktiv voranzutreiben.
Leider ist die FPÖ aktuell die einzige Oppositionspartei, die radikale Veränderung verspricht. Deshalb sahnt die FPÖ unter Protestwähler_innen ab. Grüne oder Neos sind dazu außerstande. Wir brauchen deshalb ganz klar eine radikale, linke Protestpartei, sonst wird die Wut vieler Menschen in rassistische Bahnen gelenkt. Wir brauchen also eine aktive Linkspartei, die zusammen mit den wütenden Menschen eine deutlich antikapitalistische Protestbewegung aufbaut. Wenn uns Linken das gelingt, dann gibt es keinen Zweifel, können wir die FPÖ schlagen.