Hamburg war ein Erfolg und zeigte Schwäche der Eliten!
Wir betrachten die NoG20-Proteste aus dem Blickwinkel einer Seite in einer großen Auseinandersetzung. Hamburg war kein Einzelereignis. Seit 1999 findet um jedes große Gipfeltreffen der globalen Machteliten eine Schlacht statt. Diese Gipfelproteste sind ein Teil der globalen antikapitalistischen Bewegung. Sie sind bei weitem nicht das wichtigste Element, aber sie sind ein Maßstab für die Ablehnung, die den Herrschenden entgegenschlägt.
Gipfel ist gescheitert
Der Gipfel selbst ist völlig gescheitert und hat nur gezeigt, wie tief gespalten und geschwächt die herrschenden Eliten tatsächlich sind. Es sind keine gemeinsamen Projekte beschlossen worden, es gibt keine Einigkeit darüber, wie man wieder stabile Verhältnisse herstellen oder die Wirtschaftskrise überwinden könnte.
Man hat der ganzen Welt gezeigt, dass man keine Antworten auf die Klimakatstrophe hat. Nicht einmal schon gemachte Zusagen werden eingehalten, um die größte Hungerkatastrophe in Afrika seit 1945 noch aufzuhalten. „Ihr System“, Kapitalismus, ist nach dem Gipfel stärker diskreditiert als vor dem Gipfel. Die Proteste haben einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet, ihre Schwäche und Zerrissenheit bloßzustellen.
Polizeieinsatz war Misserfolg
Hamburg wurde über Wochen in einen Belagerungszustand versetzt. Die Verantwortlichen verfolgten eine doppelte Strategie: Widerstand sollte von Anfang an als krimineller Akt gebrandmarkt werden, um so eine Solidarisierung breiter Bevölkerungsschichten mit den Aktivist_innen zu unterbinden. Die Proteste des autonomen Flügels, einem fixen Bestandteil der Bewegung, sollten radikalisiert und militärisch geschlagen werden.
Wir hatten ernsthafte Sorgen, dass das gelingen könnte, weil wir unterschätzt haben, wie weit die Radikalisierung außerhalb der autonomen Szene schon gediehen ist. „Welcome to Hell“ war die erste autonome Demonstration in dieser Protestwoche, bei der sich die Limits der Polizeistrategie zeigten. Zu Beginn des Protestmarsches wurde der „schwarze Block“ eingekesselt, Polizeikameras wurden auf die Demonstrant_innen gerichtet und zu Hunderten wurden die Teilnehmer_innen verprügelt.
Womit niemand gerechnet hatte, war eine der Sternstunden dieser Tage: Tausende zufällig oder aus Neugier anwesende Menschen formierten die Demonstration neu, eroberten die Straßen zurück und zogen als bunter Block durch das Hafenviertel und zur Reeperbahn. Die Polizei musste mehrere Blockadeversuche aufgeben.
Brennende Autos
Es ist natürlich nicht egal, wenn Teile unserer Bewegung zu Mitteln greifen, die die Massen abstoßen. Wenn Kleinwägen abgefackelt werden, ist das mehr als nur kontraproduktiv. Umso erstaunlicher war, dass die brennenden Autos und die mediale Hysterie darüber nicht zur Demobilisierung der Großdemonstration am Samstag, dem Schluss der Protestwoche, geführt haben. 100.000 bis 200.000 haben gegen die G20 unter dem Motto „Grenzenlose Solidarität statt G20“ demonstriert.
Das war der neuerliche unmissverständliche Beweis dafür, dass der Widerstand quantitativ und qualitativ gewachsen ist. Die Großdemonstration bedeutet, dass wir uns nicht von den aufständischen Jugendlichen entsolidarisieren oder ihnen jegliche politische Intention absprechen. Wer das tut, lehnt sich, bewusst oder nicht, an die herrschenden Eliten an und wendet sich von den Jugendlichen ab.
Kein Gipfel mehr
Der deutsche Justizminister Heiko Maas (SPD) sagte im Interview mit der Bild-Zeitung: „In einer deutschen Großstadt wird nie wieder so ein Gipfel stattfinden!“ Sein Kollege, der Innenminister Thomas de Maiziere von der CDU hält wenig überzeugend dagegen: „Wir werden nicht zulassen, dass eine Gruppe radikaler Gewalttäter darüber bestimmen darf, ob, wann und wo Staats- und Regierungschefs zusammenkommen.“
Beiden Seiten ist inzwischen wohl klar geworden, wie sehr sie die Opposition zu ihrem System unterschätzt haben. Nicht eine „Gruppe radikaler Gewalttäter“ bereitet ihnen Sorgen, sondern die Ablehnung, die sie durch die breite Masse erfahren.