Stoppt die Durchseuchung in Bildungseinrichtungen!
„Der Test unserer Zivilisation ist die Art, wie sie für ihre hilflosen Mitglieder sorgt.“ Demnach leben wir in der Barbarei. Wir Kindergarten-Pädagoginnen sind schlichtweg schockiert darüber, dass die Regierung ihre Politik der Durchseuchung in Kindergärten tatsächlich durchzieht. Und wir sind in der Zwickmühle: Das tausende Male gehörte Mantra, Omikron verursache nur einen milden Verlauf zeigt Wirkung. Die Kindergärten sind voll. Und die Vorsichtigen unter uns sind in der Defensive – weil Kinder unbestritten unter sozialer Isolation leiden.
Pädagoginnen entsetzt über Regierung
Die Pädagogin Astrid Gaggl empört sich vor allem über die Scheinheiligkeit: „Welche Doppelmoral und Diskriminierung: Während im Parlament beschlossen wird, dass wir als drei Mal geimpftes Bildungspersonal nicht mehr als Kontaktpersonen gelten, und so nach Kontakt mit infizierten Personen nicht mehr in Quarantäne dürfen, begibt sich Minister Mückstein in freiwillige Selbstquarantäne. Welche Ironie, während bei uns die Durchseuchung von Kinder und Personal einfach mal so beschlossen wird, ist den Verantwortlichen anscheinend ihre eigene Gesundheit schon wichtig. Da sag ich nur: Shame on you!“ Ihr Kollege fügt hinzu: „Wenn die Regierung die Kinder nicht schützt, müssen wir das selbst machen.“
Der Mikrobiologe Michael Wagner von der Universität Wien twitterte fassungslos: „Kann mir jemand erklären was an der Entscheidung Dreifach-Immunisierte nicht mehr als Kontaktpersonen zu erfassen evidenzbasiert ist? Auch 3-mal Immunisierte können sich infizieren (mit verringerter Wahrscheinlichkeit) und das Virus weitergeben.“
Rekord an Spitaleinweisungen für kleine Kinder
Wissenschaftler_innen aus Ländern, in denen Omikron schon früher die dominante Variante wurde, haben ihre Erfahrungen publiziert: Die gefährdetste Gruppen sind nun Kinder. Sie warnten, am auffälligsten sei der Anstieg der Krankenhausaufenthalten bei den Jüngsten. Die USA zeichnete einen traurigen Rekord an Krankenhausaufenthalten von Kindern. Am schnellsten stieg die Rate bei den bis Vierjährigen an, die ungeimpft und deshalb völlig schutzlos sind. Von Mitte November bis Ende Dezember kam es in den USA in dieser Altersgruppe zu einem Plus von 791 Prozent bei Hospitalisierungen. Etwa die Hälfte der kleinen Patient_innen hatte keine Vorerkrankungen. Rekordzahlen an Krankenhauseinweisungen gab es auch bei den Kindern in London in der Altersgruppe null bisfünf Jahren. Bei ihnen ist die Wahrscheinlichkeit, mit Covid-19 ins Spital eingeliefert zu werden, fast vier Mal so hoch wie bei Schulkindern. Selbstverständlich kennt unsere Regierung und ihre Berater_innen diese Fakten.
ÖVP und Grüne pfeifen auf internationale Studien
Gebannt habenwir ins Ausland geblickt und wussten schon vor Weihnachten, die neue Welle wird viel höher wie jede vor ihr. Österreich hätte sich dank internationaler Erfahrungen gut vorbereiten können. Die gewerkschaftlichen Forderungen nach einer bundeseinheitliche Teststrategie für die Kleinsten und einheitlichen Sicherheitskonzepten für die Kindergärten bleibt ebenso ungehört, wie jene nach mehr Unterstützungspersonal. Es ist buchstäblich nichts passiert. Die Kindergärten haben im Jänner ohne irgendwelche zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmenaufgesperrt. Bis zum dritten Tag wurden nicht einmal Empfehlungen kommuniziert.
In meinem Kindergarten haben wir, das Personal, dann beschlossen, das Menschenmögliche zu tun. Wir lassen uns Erwachsene täglich testen und tragen durchgehend FFP2-Masken. Wir haben uns um Luftfilter und Abluftventilatoren gekümmert. Solche Empfehlungen wagt die Politik aus lauter Angst vor den Querdenkern und der FPÖ nicht einmal auszusprechen. Dabei könnte die Regierung mit ihren Mitteln noch viel mehr tun, vor allem testen. Selbst die Kleinsten können einen sogenannten Lollipop-Test machen, bei dem eineinhalb Minuten lang an einem Stäbchen gelutscht wird. Stattdessen haben sie in den Schulen mit ihrem Umstieg auf ein neues PCR-Testprogramm völliges Chaos ausgelöst. Die politisch Zuständigen kümmert die Gesundheit der 61.500 Beschäftigten und rund 370.000 Kindergartenkinder ganz einfach nicht.
Schulen und Kindergärten werden während der Pandemie als reine Aufbewahrungsstätten wahrgenommen, die dafür sorgen müssen, dass die Eltern weiterarbeiten gehen können. Ganz strikt nach dem Motto: „Geht’s der Wirtschaft, geht’s der Wirtschaft gut!“
Wer übernimmt Verantwortung für eingegangene Risiken?
Die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz kritisiert die Aussagen der Regierung: „Jetzt ist es klar ausgesprochen: Die Durchseuchung wird in Kauf genommen.“ In der ZIB2 fragt Pilz, wer sich für die langfristigen Folgen bei Kinder verantworten wird. Und warum nach zwei Jahren Pandemie weder ausreichend PCR-Tests und passende FFP2-Masken für die Kinder vorhanden sind.
Andreas Bergthaler, Mitglied von GECKO und Professor für Molekulare Immunologie an der MedUni-Wien, verweist auf sehr viele Anhaltspunkte, dass Omikron nicht so mild ist, wie derzeit gerne von der Politik vermittelt wird. Er betont, dass Omikron vermehrt Kinder betrifft und uns vor offene Fragen zu Spätfolgen nach Erkrankungen. Schließlich bekommen auch Kinder Long Covid. Wir wissen noch nicht einmal wie viele der infizierten Kinder unter Spät- oder Langzeitfolgen leiden könnten. Niemand hat MIS-C vorhergesehen, eine multisystemische Entzündungs-Krankheit, die bei manchen Kindern Wochen nach einer scheinbar überstandenen Covid-19-Erkrankung auftreten kann und bis zu Nierenversagen, Gehirnhautentzündungen, Erkrankungen des Herzens und Todesfällen führen kann.
Fake News von sicheren Kindergärten und Wahlfreiheit
Entgegen der Warnungen der Wissenschaftler wird Omikron als „natürliche Impfung“ zur Durchseuchung eingesetzt. Um von dieser menschenverachtenden Strategie abzulenken, hilft die alte Lügengeschichte von leichten Verläufen bei Kindern –wie schon zu Beginn der Pandemie. Der neue ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek erklärte im ORF-Interview tatsächlich, dass „bei Kindern das Ansteckungsrisiko – zum Glück – nicht so groß ist“. Und laut ÖVP-Kanzler Nehammer kämpfen „wir“ ja gegen einen Lockdown, nicht gegen eine aggressive und gefährliche Krankheit mit möglichen schweren Langzeitfolgen.
Es ist auch bloß zynisch, wenn die Regierung über eine „Entscheidungsfreiheit“ der Eltern spricht, ihre Kinder in Bildungseinrichtungen schicken, oder nicht. Sonderfreistellungen gibt es keine mehr. Ist den Job zu kündigen, wenn Eltern um die Gesundheit der Kinder in den vollen Gruppen fürchten, eine freie Wahl?
Regierungspolitik führt zu Wut, Burnout und Kündigungen
Melissa blickt zurück auf ihre Arbeit als Assistentin im Kindergarten: „Ich bin so froh, dass ich mich 2021 nach meiner Ausbildung gegen diesen Beruf entschieden habe. Die Bezahlung war unter jeder Kritik. Ausbildungen wurden nicht angerechnet, Vordienstzeiten nur zur Hälfte. Mit 33 Jahren hätte ich ein Nettogehalt von ca. 890 Euro für eine Vollzeitbeschäftigung bekommen. Damals mitten in der zweiten Welle ohne Schutz, denn es wurden noch keine FFP2 Masken wurden zur Verfügung gestellt. Auf Nachfrage haben ich zwei Stück für drei Monate bekommen. Ab Jänner 2021 mussten wir zweimal die Woche auswärts PCR-testen, was wenigstens korrekt als Überstunden berechnet wurde. Für diese Überstunden-Fahrt nach Dienstschluss gab es aber pro Stunde nicht mal 1,60 Euro. Nein, verarschen können’s wen anderen, mich nicht!“
Gut gedüngter Nährboden für Widerstand
Wenn nicht rasch drastische Veränderungen kommen, werden immer weniger Menschen diese gesellschaftlich wichtige Arbeit leisten können und wollen. Nicht erst die Corona-Pandemie zeigte auf, wie wichtig die Beschäftigten in der elementaren Bildung für die Gesellschaft sind. Es sind unterbezahlte Frauen, die in krankmachenden Rahmenbedingungen, ihr Bestes geben. Dieselben Politiker_innen, die unsere Arbeitsbedingungen zu verantworten haben, pfeifen jetzt auf unsere Gesundheit und kümmern sich lieber um die Tourismusbonzen in Ischgl und Kitzbühel.
Wir können aber auch anders. Die Beschäftigten in den Kindergärten, Horten und der Nachmittagsbetreuung haben im Herbst 2021 die Arbeit niedergelegt und schon erste Erfolge erzielt. Wir werden unsere Wut und Enttäuschung in der Fortsetzung unseres Arbeitskampfs als Waffe einsetzen. Wenn wir wieder die Arbeit niederlegen, kämpfen wir auch für das Wohl der uns anvertrauten Kinder.