Bald ungarische Verhältnisse in Österreich?

Die gegenseitigen rechten Überholmanöver zwischen SPÖ, ÖVP und FPÖ könnten schneller als erwartet zu ungarischen Verhältnissen führen.
5. Juni 2015 |

Rechtsextreme Garden auf den Straßen, ermordete Roma, Demonstrationsverbote, Einschüchterung von Opposition durch Drohungen mit Gefängnis und Strafverfolgung, Medienzensur – „Der Zustand, in welchen die aktuelle Regierung unter Viktor Orban ein Land im Zentrum Europas geführt hat, macht als Europäer betroffen“, ließ Johannes Jarolim, Justizsprecher der SPÖ, noch 2013 dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán per Protestbrief ausrichten.

Zwei Jahre später ist Österreich selbst am besten Weg in ungarische Verhältnisse. Der Kenner der rechten Szene, Wolfgang Purtscheller, fasst die politischen Purzelbäume zusammen: „Der Marsch nach Rechtsaußen wird zum rassistischen Sprint-Wettbewerb.” Und wer mit Rassismus spielt, spielt mit dem Feuer.

Gesetze und Ordnung

In den Wahlkämpfen in der Steiermark und im Burgenland versuchten sich die Parteien SPÖ, ÖVP und FPÖ jeweils rechts zu überholen. Der steirische SPÖ-Landeshauptmann Franz Voves setzte in Law-and-Order-Manier auf die rassistische Karte – mehr Polizei auf den Straßen gegen „organisierte Bettelei, Diebstahl und Drogen“. Wenn „ein organisierter Bettler seine Behinderung vorspielt“, so Voves, bräuchte es einfach mehr Ordnungskräfte. Voves machte sich bereits im SPÖ-Wahlkampf 2010 mit der Forderung eines diskriminierenden Bettelverbots (welches im Mai 2011 in Kraft trat und Anfang 2013 vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde) unbeliebt.

In Linz setzte die FPÖ mit Zustimmung von SPÖ und ÖVP solche Ordnungskräfte durch – die „Stadtwache“. Ähnliches könnte im Burgenland drohen. Burgenlands FPÖ-Obmann Johann Tschürtz, ein ehemaliger Polizist, wird in der rot-blauen Koalition die Verantwortung für das Ressort „Sicherheit“ übertragen. Er kündigte prompt ein „Gemeindesicherheitskonzept“ an, das auch temporäre Grenzkontrollen beinhalten soll.

Wer glaubt, das sei eine Erfindung der FPÖ, irrt sich gewaltig. Der burgenländische SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl forderte bereits 2012 „Dorfpolizisten“ für jede Gemeinde gegen die „gestiegene Schlepperkriminalität“. Im jüngsten Wahlkampf präsentierte er ein „Zehn-Punkte-Plan für Sicherheit“ mit mehr Grenzkontrollen, mehr „Dorfpolizisten“ und Videoüberwachung an den Dorfeinfahrten.

Im Eilzug nach rechts

„Ich bin der Letzte, der fremdenfeindlich wäre, aber…“, kopierte Voves die FPÖ-Sprechweise, „es gibt einzelne Gruppen, die bei all unseren Angeboten Integrationsunwilligkeit zeigen“. Gemeint hatte er Muslim_innen, die er bei „Unwilligkeit“ mit der Härte des Gesetzes bestrafen wollte. Konfrontiert mit dem Vorwurf der FPÖ, das Land würde Muslim_innen finanziell unterstützen, beteuerte er: „Das Land Steiermark hat keinen einzigen Euro für eine Moschee gegeben!“ Nach der Wahl fühlte er sich durch die FPÖ bestätigt, man müsse sich mit der „Ausländerfrage“ intensiver auseinandersetzen und „die großen Ängste“ der Bevölkerung ernst nehmen.

Bei all den rechten Querschüssen von „links“ muss nun die ÖVP rechts nachlegen. Steiermarks Vize-Landeschef Hermann Schützenhöfer will die Grenzen für Flüchtlinge dicht machen: „Die FPÖ trifft einfach den Nerv“, denn die Leute würden meinen, die Steiermark habe „einfach zu viele Ausländer“, die „das demokratische System langsam unterhöhlen“.

Unterstützung bekommt er von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, die angekündigt hat, ab sofort ein Viertel aller Flüchtlinge abschieben zu lassen. Die Zeltstädte sind anscheinend noch nicht genug Demütigung und Abschreckung. Sie will „die Außengrenzen hochziehen“ – das bedeutet, sie will noch mehr Flüchtlinge im Mittelmeer ersaufen lassen.

Linke müssen aktiv werden

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Österreich steuert mit voller Kraft auf ungarische Verhältnisse zu. Die Großparteien bereiten der FPÖ den Boden. Das Nachrücken nach Rechts wird fatale Folgen haben. „Wünschen Sie sich ungarische Zustände?“, fragt die aufrechte Sozialdemokratin Kathrin Quatember auf ihrem Blog jene FPÖ-Versteher_innen, die eine Koalition mit den Freiheitlichen befürworten. „Ich und viele andere fürchten sich, dass irgendwann Flüchtlingsunterkünfte brennen“ und dass die FPÖ bald so „viel Fahrt aufnimmt, dass sie irgendwann nicht mehr zu bremsen ist“.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.