Wahlanalyse: Dem Druck von rechts nachgeben?

Was hat die FPÖ so stark gemacht? Die Proteste gegen sie, oder das Entgegenkommen der Regierung an die Freiheitlichen? Der Sieg von Norbert Hofer im ersten Durchgang der Bundespräsidentschaftswahl hat viel zu tun mit der nie stattgefundenen Entnazifizierung und dem ständigen Nachrutschen der SPÖ nach rechts seit den 1990er-Jahren.
2. Mai 2016 |

Das offizielle Österreich war seit Kriegsende 1945 gegenüber Faschismus und Rassismus immer ausgesprochen tolerant und hat damit das Anwachsen der FPÖ zur Massenpartei erst ermöglicht. Nach der Schockwelle, welche die 35 Prozent für Norbert Hofer ausgelöst haben, melden sich genau jene besonders laut zu Wort, die eine Fortsetzung dieser katastrophalen Politik für geeignet halten, den Wahlsieg des FPÖ-Kandidaten in der Stichwahl zu verhindern.

Nazis nicht geschlagen

Eigentlich hätten die Nazis nach dem Kriegsende für ihre Verbrechen bezahlen sollen; das hatten sie selbst erwartet, wie wir von Berichten aus den Lagern für Kriegsverbrecher wissen, und das hatten sich die überlebenden Opfer ersehnt.

Stattdessen wurden sie in Österreich verhätschelt und konnten erhobenen Hauptes vom schlimmsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte davon spazieren. Sie sammelten wieder Selbstbewusstsein und begannen einen unheimlichen politischen Aufstieg. Sie gründeten den Verband der Unabhängigen (VdU) und später die FPÖ – als „Partei von Nazis für Nazis“ (Anton Pelinka).

Keine Standhaftigkeit

Sie blieben eine winzige Partei, bis 1990 die erste Welle von Flüchtlingen aus dem ehemaligen Ostblock in Österreich ankam und der strenge Rechtskurs der SPÖ unter Kanzler Vranitzky und Innenminister Löschnak begann, den man heute zu Unrecht Faymann zuschreibt.

Die Rechten reagierten hysterisch auf Pläne, ganze 800 Menschen aus Rumänien in der Bundesheerkaserne von Kaisersteinbruch unterzubringen, und organsierten erstmalig Proteste gegen Flüchtlinge. Die Regierung Vranitzky gab den Rechten nach. Rumänische Flüchtlinge wurden in geschlossenen Waggons nach Rumänien deportiert und mehr Bundesheer an den Grenzen stationiert. Nur konnte solches Nachgeben die Rechten nicht beschwichtigen, es machte sie – wie zu erwarten war – noch selbstbewusster.

Sondergesetze gegen Minderheiten

Die FPÖ unter Jörg Haider bekam 1990 erstmals mehr als 10 Prozent und ließ nicht mehr locker. 1993 starteten die Freiheitlichen das „Anti-Ausländervolksbegehren“ – und die Rot-Schwarze Regierung reagierte mit Asylrechtsverschärfungen, einem neuen Fremdengesetz und einem neuen Aufenthaltsgesetz. Wenig überraschend bekam die FPÖ 1994 schon 23 Prozent.

Ein absoluter Tiefpunkt der Regierung Faymann ist der Erlass eines Sondergesetzes, das nur für die islamische Religionsgemeinschaft gilt und Muslime unter Generalverdacht stellt. Es gab in Österreich schon seit 1912 ein Islamgesetz, das nicht viel mehr bewirkte, als die offizielle Anerkennung der islamischen Religion durch den Staat. Dieselben Gesetze gibt es für alle möglichen Religionsgemeinschaften. Mit dem Erlass hat die Regierung  Islamfeindlichkeit ein offizielles Berechtigungszertifikat ausgestellt.

EU-Ablehnung

Man darf auch die Rolle der EU beim Aufstieg der FPÖ nicht außer Acht lassen. Die Österreicher_innen waren beim EU-Beitritt 1994 am enthusiastischsten unter den damaligen Beitrittskandidaten, zwei Drittel gaben ihre Zustimmung. Viele waren von der Hoffnung ergriffen, die EU könnte den politischen Stillstand überwinden und gesellschaftlichen Fortschritt bringen.

Aber die EU ist immer schon ein Projekt der Eliten gewesen und die einzelnen Arbeitnehmer_innen haben das sehr bald gespürt. Heute ist die Ablehnung der EU in Österreich überwältigend: Im Oktober 2015 gaben vier von fünf Menschen an, kein beziehungsweise nur geringes Vertrauen in die EU-Kommission zu haben.

Nun ist die FPÖ die einzige Partei, die es wagt, die EU frontal anzugreifen. Van der Bellens härteste Kritik an der FPÖ, ist deren ablehnende Haltung zur EU. Es darf also nicht verwundern, wenn die FPÖ als Anti-Establishment-Partei wahrgenommen wird, obwohl sie überall, wo sie regiert hat, das Gegenteil bewiesen hat.

Dynamik ist entscheidend

In der Politik geht es sehr stark um Dynamik – darum, welche Seite wie viel Schwung und Masse aufbauen kann. Starten die Rechten einen rassistischen Vorstoß, und die Regierung reagiert wie gehabt mit Nachgeben, dann ebnet sie diesem Vorstoß den Weg. Die Rechten nehmen noch mehr Schwung auf. Und genau das haben wir seit der Kehrtwende der Regierung Faymann in der Flüchtlingspolitik beobachten können.

Noch im Spätsommer 2015 hat der Bundeskanzler die ungarische Flüchtlingspolitik mit jener der Nazis verglichen. Nur wenige Monate später hat sich Österreich zum Anführer jener EU-Staaten gemacht, die alle Grenzen für Flüchtlinge dicht machen wollen. Die Initiative dafür ging zwar von der ÖVP aus, und die SPÖ hat diesem Druck anfangs möglicherweise nur nachgegeben. Aber inzwischen hat sie sich den neuen Kurs aber völlig zu eigen gemacht und signalisiert damit in alle Richtungen: Ja, die Flüchtlinge sind schuld!

Die Wirkung davon musste eine Stärkung der Rechten bewirken und zudem eine Krise der SPÖ heraufbeschwören. Jetzt sucht der rechte Flügel der SPÖ Sündenböcke, und gefunden wurden, außer den Flüchtlingen selbst, diejenigen, die standhaft solidarisch geblieben sind und die sich weiter gegen den Vormarsch von Rassismus und Faschismus stemmen wollen.

Mehr Angst vor links

Der Rechtsruck wird in der SPÖ mit der Zwangssituation, in der sie als Teil der großen Koalition feststeckt, gerechtfertigt. Gebe die SPÖ dem Druck der ÖVP nicht nach, dann zerbräche die Regierung und die FPÖ würde absahnen. Das darf angezweifelt werden, denn die SPÖ hätte bis Weihnachten durchaus erhobenen Hauptes die Koalition verlassen können und sich stolz auf einen „Mit uns nicht!“-Standpunkt stellen. Für den großen Teil ihrer Basis, der sich solidarisch mit Flüchtlingen gezeigt hat, hätte das zweifellos einen Triumph und einen riesigen Motivationsschub bedeutet.

Zu Beginn der „Flüchtlingskrise“ hatten diese Menschen die Dynamik bestimmt, waren in der Offensive und konnten die Rassisten in der Defensive halten. Die Regierung hat alles dazu getan, diese Dynamik umzukehren. Die lautstarken Forderungen, jetzt auf Proteste gegen die FPÖ zu verzichten, sich still zu verhalten und zu hoffen, dass van der Bellen die Stichwahl gewinnt, verdammen die Aktivist_innen zur Untätigkeit. Wir müssen sie wieder auf die Bühne des Geschehens bringen!

Eine kämpferische SPÖ?

Die SPÖ ist völlig auf Kompromiss mit den Konservativen eingeschworen und hat nicht einmal als Oppositionspartei unter Gusenbauer diesen Kurs verlassen. Jetzt sind wir im achten Jahr der Weltwirtschaftskrise und noch immer werden die Kosten dieser Krise ausnahmslos der Arbeiter_innenklasse aufgebürdet. Natürlich verprellt so die SPÖ einen großen Teil ihrer Basis.

Aber selbst in Deutschland, wo links der SPD eine radikalere Kraft, DIE LINKE, existiert, droht ein Durchbruch für die rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD). Die LINKE hat es unterlassen den „Klassenhass“ zu mobilisieren und sich einseitig auf klassische Arbeit in den Parlamenten konzentriert. Die AfD könnte auch dort sehr bald als einzige Opposition zu den Eliten wahrgenommen werden.

Großdemo 19. Mai: Wir können Norbert Hofer entlarven und demontieren!

Was wir dringend brauchen um der FPÖ das Wasser abzugraben, ist eine Linkspartei, die wirklich antikapitalistische Politik betreibt und keine Scheu davor hat, die Arbeiter_innenklasse auf die Straße und in den Betrieben zu mobilisieren. Belohnt wird am Ende, wer den herrschenden Eliten in der Praxis etwas entgegen setzen kann.

Die Offensive gegen Rechts ruft zur Großdemo gegen Norbert Hofer amDonnerstag, 19. Mai um 17:30 am symbolträchtigen Heldenplatz.
Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.