EU-Türkei-Deal: Ein weiteres Argument für Brexit

Der schmutzige Deal mit der Türkei entblößt wieder einmal das wahre Gesicht der Europäischen Union (EU). Die britische Sozialistin Judith Orr argumentiert aus einer linken, internationalistischen Perspektive für einen Austritt Großbritanniens aus der EU (Brexit).
8. April 2016 |

Judith Orr (SWP) ist Herausgeberin der britischen Zeitung Socialist Worker und spricht auf unserem antikapitalistischen Kongress „Marx is Muss“ (20.-22. Mai) über Brexit. Mehr Infos: www.marxismuss.at

Die Eliten der Europäischen Union (EU) versuchen alles, um sich vor der Verantwortung gegenüber den zehntausenden Flüchtlingen zu drücken, die Krieg und Armut entkommen wollen und sich ein sicheres Leben in Europa erhoffen. Sie haben einen Deal mit der Türkei durchgepeitscht, in dem die Türkei sich einverstanden erklärt, Flüchtlinge aus Griechenland zurückzunehmen, die sich nach dem 20. März auf die Reise gemacht haben und nicht unverzüglich Asyl beantragen und positive Bescheide bekommen. Im Gegenzug hat die EU versprochen wieder frischen Wind in die Diskussion über den EU-Beitritt der Türkei zu bringen.

Keine fortschrittliche EU

Dies ist jedoch nur das neuste Beispiel für die wahre Gesinnung der EU als Institution. Die Menschenrechte der Bürger_innen waren nie und werden nie Teil ihrer Agenda sein. Die Wahrheit ist: die EU ist keine wohlwollende Vereinigung von Nationen, getrieben vom Kampf für Migrant_innen- und Arbeiter_innenrechte. Trotz allem wird die EU in aktuellen Debatten um den EU-Austritt von Großbritannien am 23. Juni von vielen linken Organisationen als fortschrittliche, internationale Institution dargestellt.

Es stimmt zwar, dass unter den prominenten Befürwortern eines EU-Austritts Rassisten, Nationalisten und Rechte wie wie Nigel Farage und seiner UKIP Partei mitmachen. Die große Masse der Wirtschaftstreibenden und der Premierminister der Tories, David Cameron, wollen aber lieber in der EU bleiben um die Profitabilität des britischen Kapitalismus zu maximieren. Die EU macht es für Immigrant_innen nicht leichter, sich frei zu bewegen. Stattdessen hat die Festung Europa kollektiv eine Mauer gegen Migrant_innen aus aller Welt errichtet.

Die Not der Eliten

Die EU wurde in den 1950er-Jahren als regionaler Zusammenschluss von Kapitalien gegründet. Damit sollten Mitgliedsstaaten auf dem Weltmarkt mithalten können und ihnen ebenfalls militärische Sicherheit garantieren. Großbritanniens herrschende Klasse wurde dazu gezwungen, sich damit abzufinden, dass es kein Empire mehr hatte. Sie wollte eine grenzüberschreitende freie Marktwirtschaft, die die EU dann unter dem Namen „Binnenmarkt“ einführte. Weiters wünschte sie sich ein Mittel um die Löhne so niedrig wie möglich zu halten und Konditionen, die britische Arbeiter_innen „wettbewerbsfähiger“ zu machen.

Neoliberale Politik ist Bedingung für eine Mitgliedschaft in diesem „Club der Bosse“. Wenn die EU beschließt, dass Austerität der Weg ist, um die Profite der Bosse wieder herzustellen, dann wird diese Maßnahme über jeden Mitgliedsstaat verhängt.

Brutale Sparpolitik

Das beste Beispiel hierfür ist Griechenland. Die EU ist ein wichtiger Teil der „Troika“, zusammen mit der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds. Die Troika ist der Ansicht, dass das Geld mit dem die Banken bezahlt werden, den Ärmsten in Griechenland weggenommen werden muss. Die EU ist unnachgiebig und die wahllosen Kürzungen von öffentlichen Leistungen haben dazu geführt, dass Millionen von ­Griech­_­innen nun mit Armut zu kämpfen haben.

Neben der neoliberalen wirtschaftlichen Ausrichtung ist die EU ein integraler Teil für die Machtausdehnung der Nato und ihren Kriegen. Die EU ist ein Instrument der kapitalistischen Klassengesellschaft und sollte von allen kritisiert werden, die Flüchtlinge willkommen heißen und gegen Austerität und Rassismus kämpfen.

Internationalismus

Sozialist_innen heißen alle Flüchtlinge willkommen, sie sind unsere Schwestern und Brüder. Wir verteidigen sie und ihr Recht nach Großbritannien oder jedes andere Land zu kommen und ein besseres Leben aufzubauen. Es ist egal, ob Menschen vor Kriegen fliehen oder einfach in einer Welt, die durch Wirtschaftskrisen zerstört wird, nach wirtschaftlicher Sicherheit suchen.

Es ist genauso irrelevant, ob sie von innerhalb der EU kommen oder von irgendwo anders auf der Welt, da Sozialismus für eine Welt ohne Grenzen steht und sich gegen Einwanderungskontrollen ausspricht. Das ist der Grundgedanken des Internationalismus, der bedeutet, dass wir mehr mit Arbeiter_innen aus Griechenland und Geflüchteten aus Syrien oder Eritrea gemeinsam haben, als mit der herrschenden Klasse.

Die Europäische Union: Ein Projekt der Eliten

Die Europäische Union: Ein Projekt der Eliten

Die EU dient den Interessen der Banker, Chefs und der großen Konzerne. Das ist der Grund, warum Cameron und seine reichen Freund_innen verzweifelt versuchen, in der EU zu bleiben. Wir wollen, dass sie verlieren und ein klares „Nein“ bei der Abstimmung würde ihre Macht schwer erschüttern. Dies ist Teil des andauernden Kampfes um ein antikapitalistisches, von internationaler Solidarität geprägtes Europa.

Übersetzung aus dem Englischen von Lisa Reicher.
Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.