In Trumps Fußstapfen: Regierung hebt Klimazerstörung in Verfassungsrang

Die österreichische Regierung möchte wie Trump aus dem Pariser Klimaschutz-Abkommen aussteigen, nur das offen sagen, traut sie sich nicht. Per Verfassungsgesetz will die Koalition mit den Stimmen von FPÖ, Team Stronach und NEOS als „Staatsziel“ festschreiben, dass Profitinteressen Vorrang vor Umwelt und Klimaschutz haben. Aktivist_innen bereiten Proteste vor.
19. Juni 2017 |

Als das Bundesverwaltungsgericht den Bau der dritten Piste am Wiener Flughafen vorerst verhinderte, wurde angesichts der Reaktionen aus Politik und Wirtschaft klar, dass auch Österreich nie vor hatte das Pariser Klimaschutz-Abkommen einzuhalten. Kanzler Christian Kern erklärte im Trump-Ton, dass ein „vager Begriff wie Klimaschutz“ doch nicht solche Bauvorhaben stoppen dürfe. Jetzt will er in der Verfassung festschreiben, dass nichts mehr dem Wirtschaftswachstum und Profiten im Weg stehen darf.

Lex Dritte Piste

Die Regierung hat eine Änderung des Verfassungsgesetzes „über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung“ vorgelegt. Warum ihr das Gesetz ein Dorn im Auge ist: es diente dem Bundesverwaltungsgericht als Begründung für seine Ablehnung der dritten Piste.

Jeder Hinweis auf Klimaschutz soll aus dem Titel des Gesetzes entfernt werden (es soll in „Bundesverfassungsgesetz über Staatsziele“ umbenannt werden) und ein neuer Absatz eingefügt werden: „Die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zu Wachstum, Beschäftigung und einem wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort.“

Protest am 27. Juni

Die Gesetzesänderung wurde als Initiativantrag eingebracht, das heißt, es gibt keine verpflichtende Begutachtungsfrist, in der Stellungnahmen geschrieben werden können. Offensichtlich will die Regierung wie schon bei der Einschränkung des Demorechts Kritik unterbinden.

Am Montag, 26. Juni könnte der Verfassungsausschuss das Gesetz beschließen und dann zur endgültigen Beschlussfassung am 28. oder 29. Juni in das Parlament schicken. Umweltschutzorganisationen, NGOs und antikapitalistische Gruppen organisieren am Dienstag, 27. Juni um 18 Uhr vor dem Parlament einen Protest. Neue Linkswende hat wie viele andere Organisationen einen Aufruf von System Change not Climate Change (SCnCC) unterzeichnet (siehe unten) und lädt alle ein, die dazugehörige Petition an die Nationalratsabgeordneten zu unterschreiben.

Maßnahmen jetzt!

Würde Österreich den Klimawandel oder zumindest das Paris-Abkommen ernst nehmen, müssten sie mit allen Anstrengungen versuchen, von fossilen Brennstoffen weg zu kommen. Österreich stößt derzeit 80 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr aus. Ab 2030 dürfte Österreich überhaupt keine Treibhausgase mehr emittieren.

Dazu müssten auch viel mehr Arbeitsplätze im öffentlichen Zugverkehr geschaffen sowie in den Ausbau von Schienenstrecken, in Umstrukturierungen, Gebäudesanierungen und in nachhaltige Energien investiert werden. Aber seit der Unterzeichnung des Abkommens vor eineinhalb Jahren hat die Regierung überhaupt noch keine einzige Maßnahme gesetzt, um es auch einzuhalten! Mit der „Staatsziel“-Änderung will sie de facto wie US-Präsident Donald Trump aus Paris aussteigen.

Trump lässt grüßen

Das Wirtschaftswachstum in der Verfassung zu verankern, damit Konzerne mit umweltschädlichen Projekten ihre Profite absichern können und dazu noch das klimaschädlichste Projekt Österreichs schlechthin, die dritte Piste am Flughafen Wien, als Anlass für diese Gesetzgebung zu nehmen, heißt Klimaschutz und Demokratie mit Füßen treten. Die österreichische Regierung bewegt sich mit Unterstützung von FPÖ, Team Stronach und den Neos bei Klimaschutz auf dem Niveau von Donald Trump.

Warum wir alle Ökosozialisten werden müssen!

Warum wir alle Ökosozialisten werden müssen!

Für viele war das Pariser Klimaabkommen die letzte Hoffnung, dass sich kapitalistische Regierungen endlich zusammenraufen könnten, um den globale Erwärmung zumindest auf 2°C zu beschränken, wenn möglich sogar auf 1,5°C. Nachdem US-Präsident Donald Trump Anfang Juni ankündigte aus dem Abkommen auszusteigen und ab sofort alle Zusagen der USA absagte, ist diese Hoffnung Geschichte. Wir benötigen eine Massenbewegung, die Klimaschutz von unten erkämpft.

Kundgebung gegen die Verankerung der Klimazerstörung in der Verfassung am Dienstag, 27. Juni um 18 Uhr vor dem Parlament in Wien. Protest auf Facebook.

 

Aufruf: „Unsere Zukunft in schlechter Verfassung“

Wachstumswahn nicht einbetonieren! Mit roten Linien Grenzen markieren!

Die Bundesregierung will “Wachstum, Beschäftigung und einen wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort” als Staatsziel in der Verfassung verankern. Noch vor den Neuwahlen im Herbst sollen damit der herrschende Wachstumswahn einbetoniert und Ziele wie Umweltschutz und Nachhaltigkeit verwässert werden. Die Gesetzesinitiative ist eine direkte Folge des bahnbrechenden Gerichtsentscheids zum Stopp der dritten Piste am Flughafen Wien-Schwechat.

Wachstumszwang und Konkurrenzkampf erschweren nicht nur echten Umwelt- und Klimaschutz. Sie können auch als Vorwand dienen, um uns einzureden, dass wir länger arbeiten, Löhne kürzen, Sozialleistungen streichen, öffentliche Dienste privatisieren sowie Steuern für Vermögende und Konzerne senken müssen. Eine rechtliche Verankerung dieser Logik erschwert eine zukunftsorientierte Neuorientierung von Österreichs Wirtschaft und echten Klimaschutz und erhöht die soziale Ungleichheit noch weiter.

Am 26. Juni wird die Staatszielveränderung voraussichtlich im Verfassungsausschuss behandelt und könnte zur Abstimmung an den Nationalrat weitergegeben werden. Darum stellen wir uns an diesem Tag gegen die rückschrittlichen Pläne der Regierung und markieren eine rote Linie, um Konkurrenzlogik und Wachstum ihre Grenzen aufzuzeigen. Das oberste Staatsziel muss es sein, ein gutes Leben für alle zu ermöglichen und unsere Lebensgrundlagen zu erhalten. Stehen wir gemeinsam für eine lebenswerte Zukunft ein, in der die Wirtschaft den Menschen dient und die natürlichen Grenzen des Planeten respektiert!

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.