Wir haben eine Atempause, aber 50 Prozent für Hofer sind ernste Warnung!

Es ist vielleicht die letzte Verschnaufpause. Die Hälfte seiner Wähler_innen hat Van der Bellen gewählt, weil sie einen rechtsextremen Burschenschafter als Bundespräsidenten verhindern wollte. Mit diesen hunderttausenden Menschen gilt es jetzt die antirassistische Bewegung aufzubauen.
24. Mai 2016 |

Norbert Hofer hat nur äußerst knapp die Wahl zum Bundespräsidenten verloren.  Aber die Ursachen für das erschreckend hohe Wahlergebnis für die FPÖ sind nach wie vor da. Seit Monaten gibt die Regierung dem Druck von rechts nach. Auf das rassistische Gerede über die angebliche Bedrohung durch Flüchtlinge hat sie Taten folgen lassen – sie hat Zäune errichtet, Soldaten an die Grenzen geschickt und „Obergrenzen“ für Flüchtlinge eingeführt. Damit gab die Regierung der FPÖ Recht, die das schon immer gefordert hat, und verschaffte ihr einen enormen Auftrieb.

Besonders gefährlich ist, dass die FPÖ nicht bloß eine rechtspopulistische Partei ist, die Rassismus zum Stimmenfang und Aufbau von politischen Druck benutzt – das wäre schon schlimm genug. Seit Beginn des Jahres versucht die FPÖ eine Pegida-ähnliche Straßenbewegung gegen Flüchtlinge aufzubauen. Und sie verwendet Rassismus, um den Parteikern zu stärken und Kader zu stählern. In öffentlichen Wahlkampfveranstaltungen haben FPÖ-Anhänger den „Rainermarsch“ für Norbert Hofer gesungen: „Wir schützen unsere Heimat und unser Vaterland; Wir siegen oder sterben für unser Heimatland, dem Feinde zum Verderben.“

Das Wahlergebnis bedeutet weiteren Rückenwind für die FPÖ und ist wirklich besorgniserregend. Das Land ist tief gespalten zwischen FPÖ-Anhängern und jenen, die in den letzten Monaten auf die Straße gegangen sind und sich für Flüchtlinge engagiert haben. Was gilt es jetzt zu tun um den Pol der Hoffnung gegen den Pol der Verzweiflung zu stärken?

1. Die rassistische Welle brechen

Die Hälfte aller Van der Bellen-Wähler­_innen – über eine Million Menschen! – hat als Wahlmotiv angegeben, Norbert Hofer verhindern zu wollen. Und viele der über 800.000 Menschen, die gar nicht wahlberechtigt waren, sind ebenfalls von Rassismus betroffen – Bosnier, Serben, Türken.

Das ist die Basis für eine wirklich mächtige antirassistische Bewegung. Wir müssen diese Menschen auf die Bühne holen. Wir brauchen eine Plattform, die für alle Menschen offen ist, die sich gegen Rassismus einsetzen wollen – SPÖ, Grüne, Gewerkschaften, Plattform 20.000 Frauen, Frauenring, Hilfsorganisationen, NGOs, muslimische Verbände, Kirchen, LGBT- und migrantische Organisationen, Jugendgruppen, Einzelpersonen und, und, und. Alles ist denkbar: von großen Demonstrationen über Filmvorführungen bis Konzerten.

Gleichzeitig müssen die vielen Flüchtlingsinitiativen gestärkt werden – sie können weiterhin eine ganz zentrale Rolle spielen. Im letzten Jahr waren 23 Prozent aller Menschen in Österreich direkt in der Hilfsarbeit aktiv. Schließlich müssen wir uns ganz aktiv darum bemühen, die vielen Moscheegemeinden in die Bewegung miteinzubeziehen.

2. Die FPÖ demaskieren

Beinahe die Hälfte hat ihre Stimme einer im Kern faschistischen Partei gegeben, die von deutschnationalen Burschenschaftern angeführt wird (siehe auch die neue Broschüre Das Braunbuch FPÖ). Hofer hat seine Gesinnung im Wahlkampf nur halbherzig versteckt, aber er wurde dennoch von so vielen gewählt, weil diese Gesinnung nie breit getreten wurde. Es macht einen Unterschied, ob ein Dutzend Prominente Hofers Zugehörigkeit zu den Burschenschaften thematisieren, oder ob das eine Massenbewegung mit zehntausenden Menschen auf der Straße auf Plakaten vor sich herträgt.

Immer wenn die Maske der FPÖ verrutscht, stürzt sie ab. Gegen die blaue Präsidentschaftskandidatin „Kellernazi“ Barbara Rosenkranz gab es 2010 riesige Proteste. Ihr Mann Horst Jakob Rosenkranz war ein Aushängeschild der Neonazi-Szene. Barbara Rosenkranz musste vor laufenden Kameras eine eidesstattliche Erklärung unterschreiben, in der sie sich „aus Überzeugung von den Verbrechen des Nationalsozialismus“ distanzierte. Noch am Abend der Wahlniederlage antwortete Rosenkranz auf die Frage eines Reporters, ob sie sich nicht mit der Distanzierung vom Nationalsozialismus Chancen vertan habe: „Dieses Thema habe nicht ich gewählt, das war der Motor dieser Hexenjagd.“

Mehr als 80 Prozent ihrer Wähler_innen kennen die wahre Gesinnung der FPÖ nicht. Indem wir die FPÖ demaskieren, treiben wir einen Keil zwischen den Parteikern und dem größeren Umfeld der FPÖ.

3. EU-Gegnerschaft von links sichtbar machen

Wir dürfen die scharfe Kritik an der Europäischen Union (EU) nicht der FPÖ überlassen. Die hohen Erwartungen, die 1994 mit dem Beitritt geschürt wurden – den politischen Stillstand in Österreich zu überwinden und mehr soziale Gerechtigkeit zu bringen –, wurden nicht erfüllt. Denn die EU war schon immer ein Projekt der Eliten. Heute ist die Ablehnung der EU in Österreich überwältigend: Im Oktober 2015 gaben vier von fünf Menschen an, kein beziehungsweise nur geringes Vertrauen in die EU-Kommission zu haben.

Die EU ist entschlossen, die Kosten der Wirtschaftskrise auf die Werktätigen abzuwälzen und verlangt von Griechenland ein brutales Sparpaket nach dem anderen. Rassismus gegen Flüchtlinge und Muslime sind dabei integrale Bestandteile, die sich mit dem Fortschreiten der Probleme der EU – Stichwort „Eurokrise“ und „Flüchtlingskrise“ – weiter verschärfen werden. Die Eliten versuchen alles, um sich vor der Verantwortung gegenüber den hunderttausenden Flüchtlingen zu drücken, die Krieg und Armut entkommen wollen und sich ein sicheres Leben in Europa erhoffen.

Die Frage, ob Großbritannien aus der EU austreten sollte, spaltet derzeit die Eliten – aber dort gibt es eine wichtige linke Kampagne für einen Austritt. Die FPÖ ist in Österreich die einzige Partei, die es wagt, die EU frontal anzugreifen. Das zeigt die ganze Schwäche der Linken und bleibt weiter ein Erfolgsrezept der FPÖ. Van der Bellens härteste Kritik an Hofer war seine ablehnende Haltung gegenüber der EU. Aber die Leute sind zu Recht enttäuscht von der etablierten Politik. Linke müssen die EU angreifen und sich auf die Seite der Werktätigen und Flüchtlinge stellen – das heißt, sich gegen Rassismus, Neoliberalismus und Ausbeutung positionieren.

 

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Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.